Geschrieben am 31.08.2019 2019-08-31| Aktualisiert am
31.08.2019
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Caroussel Nouvelle
Besucht am 17.01.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 331 EUR
Was wie eine Traumschiff-Folge klingt, beschreibt nur meinen Besuch Anfang des Jahres im Dresdner Caroussel, kurz bevor bei der Renovierung die 4 für das Atrium inzwischen zu mächtig gewordenen Palmen weichen mussten. Schade eigentlich, ich mochte diese Wintergarten-Atmosphäre sehr, die in ihrer eleganten Zwanziger-Jahre-Attitüde einen schönen Kontrapunkt zur ansonsten recht bunten „modern baroque“-Innenausstattung des Bülow-Palais bildete.
Über das neue Ambiente berichte ich vielleicht ein andermal.
Jetzt hieß es noch einmal, die grundsätzlich französisch-klassische, aber meist mutig gewürzte Küche von Benjamin Biedlingmaier im vertrauten Rahmen zu genießen. Dabei blieb ich nicht allein, denn an den großzügig gestellten, klassisch eingedeckten Tischen hielt neben zwei Paaren besonders eine Gruppe chinesischer Wissenschaftler (vermute ich) die schwarze Brigade ordentlich auf Trab. Die leider ohne Sommeliere und Gastgeberin Jana Schellenberg auskommen musste. Die jungen Damen und Herren vom Fach agierten dabei grundsätzlich professionell. Leider gab es ein Missverständnis, so dass mein gereifter Montrachet zu spät geöffnet wurde und erst gegen Ende des Besuchs seine gesamte Komplexität erreichte. Schade. Lobend zu erwähnen, dass hier gemessen an aktuellen Jahrgängen nur mit Faktor 2 kalkuliert wurde (und „teuer“ sowieso immer relativ ist)
Trotzdem für den Service 3,5 Sterne, weil das Zusammenspiel mit der Bar vorzüglich klappte. Der dort fast im Vorübergehen per Zuruf bestellte fruchtig-säuerliche Cocktail wurde am Tisch serviert und entpuppte sich als Cachaça mit Ananas-, Birnen- und wohl auch Maracujasaft und war mit 8,9€ für das Umfeld eher günstig.
Während die Vitaminspritze gebaut wurde, knabberte ich bei leisen französischen Chansons an den wohl mit Togarashi pikant gewürzten, dünnen Grissini
und freute mich über das ebenfalls japanisch inspirierte heiße Frotteetuch zur (symbolischen) Säuberung vom Reisestaub.
Als erster Küchengruß schließlich die dritte fernöstliche Inspiration, die mich mit ihrem Purismus sofort gefangen nahm: Eine süffige Seeigel-Crème getoppt von einem Parmesan-Espuma. Dazu nur knackig frische Schnittlauch-Chiffonade. So einfach, so intensiv, so umami. Einfach ist am schwierigsten, sehr gut.
Inzwischen hatte ich aus den beiden angebotenen Menüs 6 Gänge (135€) gewählt, selbstverständlich ohne Dessert, um Ghostwriter C. zu quälen. Aber mit einem süßen After-Dinner-Cocktail als Ärgernis für Lohnschreiber M., versteht sich (Swimmingpool, 12,5€). Auch dieser Wunsch wurde von der Bar mustergültig umgesetzt.
Als nächstes wurde ein knuspriges, gutes Sauerteigbrot
gereicht, mit spanischem Olivenöl, Fleur de sel und einer Butter aus dem Poitou.
Leider hatte auch die Küche einen kurzen Blackout, denn es bedurfte doch mehrerer, zunehmend deutlicher Fragen bis Einigkeit darüber bestand, dass die Ware leicht ranzig geworden war. Der Ersatz umso frischer. Außerdem entschuldigte sich später Chef Biedlingmaier beim Feierabendbier sehr nett für den Fehlgriff.
Bevor ich zum ersten Mal den durchaus kontrovers diskutierten Signature dish des Caroussels, die vegetarische „Faux“ gras, probieren durfte, schickte die Küche ein erneut formidables Amusement aus dem Meer
Hier überzeugte eine gebeizte und gegrillte Jakobsmuschel in Vongole-Sud, dazu Salzigkeit von der Jahrgangssardelle und schön eingebundene fruchtige Säure durch Tomatencrème. Und, um diesen kleinen Teller perfekt zu machen, etwas knusprig Schwarz-Braunes, dessen prägnanten Geschmack ich bestimmt schon hunderte Mal im Mund hatte, aber trotzdem nicht einordnen konnte: Kombu-Alge! Eine der klassischen Maki-Füllungen, hier in der Hochküche angelangt! Wie schrieb einst der Dauercollini: Toll, toll, toll!
Der Meinung, man dürfe das Publikum nicht mit mehr als drei Komponenten auf dem Teller überfordern, wurde mit diesem eher unspektakulär daher kommenden Meisterwerk nachhaltig widersprochen.
Und dann war sie da, die falsche Gänseleberterrine, täuschend echt, sogar - morbide, aber den Kritikern Right into the face! - mit Äderchen des Ausgangsproduktes.
Was der sympathische Schwabe verschmitzt lächelnd zurückwies; der Portwein sei eben so eingesickert.
Aber warum überhaupt ein tierisches Produkt nachahmen, das man aus Tierwohl-Erwägungen im Original ablehnt? Obwohl ich nicht so streng - oder wohl besser konsequent - gegen Foie gras eingestellt bin, wie einige sehr geschätzte Kolleg*innen hier, erst recht kein Vegetarier, verstehe ich die Frage nicht wirklich: Warum denn nicht Fleisch, Wurst oder andere tierische Produkte pflanzlich ersetzen, wenn man den Geschmack oder das Mundgefühl mag, aber dafür keine Tiere sterben sollen? Für mich ist allein wichtig, ob Gaumen und Zunge auch bekamen, was den Augen versprochen worden war: Für meinen Geschmack absolut! Auch der Schmelz gut getroffen.
Die Begleitung setzte einerseits auf leicht ätherische Bitterkeit mit Kumquat-Ragout und -schale, Yuzumajo und vorsichtig eingesetzter Chili. Für Struktur und Temperatur waren andererseits Sand und cremiges Eis von Graubrot zuständig. Joa, kann man machen. Ein kräftiges Aroma wäre aber wohl zu lange dominant gewesen. Mir hat die Komposition sehr gefallen. Auf diesem Niveau eine echte Alternative zur Stopfleber.
Auch der zweite Gang war tadellos: Kaninchen-Essenz.
Nun mag nicht jeder (hier) den possierlichen Nager. Liebhabern sei aber gesagt: Wow! So intensiv im Geschmack! So deutlich das Fleisch von der Keule, saftig, nicht zu salzig! Hach, ein Genuss, ergänzt durch Pastinake in Crème und einer angenehm süßen Scheibe. Für die Textur noch frisch gehobelte Haselnuss. Alles mal ganz harmonisch, kein Löcken wider den Stachel. Muss auch mal sein. Kaninchen scheint übrigens zu den Lieblingen von Benjamin Biedlingmaier zu gehören, zu Recht!
Für alle Gourmets wieder anschlussfähig der folgende Langustenschwanz
Tolles Produkt, fest im Biss und gleichzeitig zart, nussiger Geschmack. Der kandierte Yuzu war präsent, aber nicht dominant. Auch das Püree von schwarzem Knoblauch harmonierte noch mit dem Krustentierschaum. Too much dagegen das Bett von knackigem Pakchoi, der zu viel Salz hatte und das wunderbare Krustentier zugedeckt hätte. Der erste objektive Kritikpunkt des Abends.
Ärger kam jedoch nicht auf, denn der nächste Teller war ein Wohlfühlgang.
Das sous vide gegarte Heilbutt-Filet saftig, allerdings auch geschmacklich dezent, was u. a. am kräftigen Lauch lag, der als knackiges Ragout mit klarem Eigengeschmack punkten konnte. In die weiteren nicht zu bissfesten Röllchen war ein süffiger Nussbutter-Espuma gespritzt. Natürlich durfte auch ein weiteres Herzensprodukt des Küchenchefs nicht fehlen: Der geraspelte Perigord-Trüffel war natürlich präsent, aber nicht so aufdringlich wie bei meinem ersten kulinarischen Besuch in der Dresdner Neustadt. Da stimmte es mal: Lecker ist kein Schimpfwort!
Deutlich rustikaler, aber allemal nicht schlechter der folgende Fleischgang: Saftiger Leipziger Schweinebauch von LUMA mit einer fabelhaften Kruste.
Für die Schwarten-Afficionados gab es zusätzlich (viel!) gepoppte Haut. Und schon ist der Borgfelder glücklich! Erst recht, wenn es eine würzige Soße auf Basis von Tonkatsu-Brühe gibt - Umami-Rakete! Und natürlich passte die fruchtig-süße Pflaume wunderbar, die auch als Füllung des frittierten und halbierten Kartoffel-Knödels präsentiert wurde. Der vielleicht auch aus optischen Gründen beigefügte Koriandersand war schon fast entbehrlich auf diesem bis auf ein paar Knorpelchen (eh Geschmackssache) perfekten Teller, der ganz ohne Luxusprodukte auskam.
Mit einem mutigen Käsegang schloss das Menü.
Der (leider nicht angewärmte) Fourme d‘Ambert wurde auf einem mehr würzigen als sauren Sud von Cornichons serviert und mit Birnensorbet abgepuffert. U.a. kandierte Nüsse sorgten für Crunch.
Der als Begleitung angebotene Kerner erwies sich zwar als passend, aber mit dem letztlich gewählten Manzanilla (6,5€) war ich doch zufriedener.
Die Patisserie entließ mich mit drei Kleinigkeiten: Salzkaramell, Erdbeer-Macaron, Himbeeressig-Praline
Orangen-Profiterole ganz gut, Spekulatius-Macaron mit Schoko naja, aber Zimtpraline stark. Und schon kam ja mein kleiner blauer Cocktail.
Hochzufrieden nippend konnte ich die beste Küchenleistung in Dresden Revue passieren lassen.
Und muss jetzt entscheiden, ob ein Fauxpas mit der Butter, zu salziger Pakchoi und im Durchschnitt „nur“ ordentliche petits fours einen Abzug von der Höchstnote rechtfertigen.
Nö, tun sie nicht. Wobei gleich einschränkend gesagt sei, dass es bei meinem nächsten Besuch im Caroussel schon mehr Kritik gab. Aber das ist eine andere Geschichte und mag ein anderes Mal erzählt werden.
Was wie eine Traumschiff-Folge klingt, beschreibt nur meinen Besuch Anfang des Jahres im Dresdner Caroussel, kurz bevor bei der Renovierung die 4 für das Atrium inzwischen zu mächtig gewordenen Palmen weichen mussten. Schade eigentlich, ich mochte diese Wintergarten-Atmosphäre sehr, die in ihrer eleganten Zwanziger-Jahre-Attitüde einen schönen Kontrapunkt zur ansonsten recht bunten „modern baroque“-Innenausstattung des Bülow-Palais bildete.
Über das neue Ambiente berichte ich vielleicht ein andermal.
Jetzt hieß es noch einmal, die grundsätzlich französisch-klassische, aber meist mutig gewürzte Küche von Benjamin Biedlingmaier... mehr lesen
4.5 stars -
"Abschied unter Palmen" DerBorgfelderWas wie eine Traumschiff-Folge klingt, beschreibt nur meinen Besuch Anfang des Jahres im Dresdner Caroussel, kurz bevor bei der Renovierung die 4 für das Atrium inzwischen zu mächtig gewordenen Palmen weichen mussten. Schade eigentlich, ich mochte diese Wintergarten-Atmosphäre sehr, die in ihrer eleganten Zwanziger-Jahre-Attitüde einen schönen Kontrapunkt zur ansonsten recht bunten „modern baroque“-Innenausstattung des Bülow-Palais bildete.
Über das neue Ambiente berichte ich vielleicht ein andermal.
Jetzt hieß es noch einmal, die grundsätzlich französisch-klassische, aber meist mutig gewürzte Küche von Benjamin Biedlingmaier
Soft opening ist bekannt. Im bean&beluga gibt es ein soft closing: Bestehende Reservierungen werden bis Jahresende abgearbeitet, aber neue Gäste nicht mehr angenommen. Grund ist der auslaufende Pachtvertrag und natürlich zu geringe Gästezahlen im Dresdner Nobelviertel Weißer Hirsch. Im Zweitrestaurant Hirsch32 geht der Betrieb zumindest bis Jahresende uneingeschränkt weiter. Evtl. will man umziehen.
Soft opening ist bekannt. Im bean&beluga gibt es ein soft closing: Bestehende Reservierungen werden bis Jahresende abgearbeitet, aber neue Gäste nicht mehr angenommen. Grund ist der auslaufende Pachtvertrag und natürlich zu geringe Gästezahlen im Dresdner Nobelviertel Weißer Hirsch. Im Zweitrestaurant Hirsch32 geht der Betrieb zumindest bis Jahresende uneingeschränkt weiter. Evtl. will man umziehen.
stars -
"Keine neuen Reservierungen mehr!" DerBorgfelderSoft opening ist bekannt. Im bean&beluga gibt es ein soft closing: Bestehende Reservierungen werden bis Jahresende abgearbeitet, aber neue Gäste nicht mehr angenommen. Grund ist der auslaufende Pachtvertrag und natürlich zu geringe Gästezahlen im Dresdner Nobelviertel Weißer Hirsch. Im Zweitrestaurant Hirsch32 geht der Betrieb zumindest bis Jahresende uneingeschränkt weiter. Evtl. will man umziehen.
Wir sind begeistert - wirklich eine Bereicherung für Dresden! Wir waren mit Freunden dort zum Frühstück. Einrichtung sehr Tumbler und dennoch gemütlich. Die Karte bietet alles was das moderne Frühstücksherz begehrt: Bowls, Porridge, Toast und Bagel. Alles gibt es als kostengünstige Kombi, worauf der Kellern auch freundlich hingewiesen hat. Die Essen waren frisch und sehr schmackhaft! Extrafragen wurden kompetent beantwortet. Wir kommen auf jeden Fall wieder!
Wir sind begeistert - wirklich eine Bereicherung für Dresden! Wir waren mit Freunden dort zum Frühstück. Einrichtung sehr Tumbler und dennoch gemütlich. Die Karte bietet alles was das moderne Frühstücksherz begehrt: Bowls, Porridge, Toast und Bagel. Alles gibt es als kostengünstige Kombi, worauf der Kellern auch freundlich hingewiesen hat. Die Essen waren frisch und sehr schmackhaft! Extrafragen wurden kompetent beantwortet. Wir kommen auf jeden Fall wieder!
5.0 stars -
"Super Frühstück" ManuelaJungWir sind begeistert - wirklich eine Bereicherung für Dresden! Wir waren mit Freunden dort zum Frühstück. Einrichtung sehr Tumbler und dennoch gemütlich. Die Karte bietet alles was das moderne Frühstücksherz begehrt: Bowls, Porridge, Toast und Bagel. Alles gibt es als kostengünstige Kombi, worauf der Kellern auch freundlich hingewiesen hat. Die Essen waren frisch und sehr schmackhaft! Extrafragen wurden kompetent beantwortet. Wir kommen auf jeden Fall wieder!
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Über das neue Ambiente berichte ich vielleicht ein andermal.
Jetzt hieß es noch einmal, die grundsätzlich französisch-klassische, aber meist mutig gewürzte Küche von Benjamin Biedlingmaier im vertrauten Rahmen zu genießen. Dabei blieb ich nicht allein, denn an den großzügig gestellten, klassisch eingedeckten Tischen hielt neben zwei Paaren besonders eine Gruppe chinesischer Wissenschaftler (vermute ich) die schwarze Brigade ordentlich auf Trab. Die leider ohne Sommeliere und Gastgeberin Jana Schellenberg auskommen musste. Die jungen Damen und Herren vom Fach agierten dabei grundsätzlich professionell. Leider gab es ein Missverständnis, so dass mein gereifter Montrachet zu spät geöffnet wurde und erst gegen Ende des Besuchs seine gesamte Komplexität erreichte. Schade. Lobend zu erwähnen, dass hier gemessen an aktuellen Jahrgängen nur mit Faktor 2 kalkuliert wurde (und „teuer“ sowieso immer relativ ist)
Trotzdem für den Service 3,5 Sterne, weil das Zusammenspiel mit der Bar vorzüglich klappte. Der dort fast im Vorübergehen per Zuruf bestellte fruchtig-säuerliche Cocktail wurde am Tisch serviert und entpuppte sich als Cachaça mit Ananas-, Birnen- und wohl auch Maracujasaft und war mit 8,9€ für das Umfeld eher günstig.
Während die Vitaminspritze gebaut wurde, knabberte ich bei leisen französischen Chansons an den wohl mit Togarashi pikant gewürzten, dünnen Grissini
und freute mich über das ebenfalls japanisch inspirierte heiße Frotteetuch zur (symbolischen) Säuberung vom Reisestaub.
Als erster Küchengruß schließlich die dritte fernöstliche Inspiration, die mich mit ihrem Purismus sofort gefangen nahm: Eine süffige Seeigel-Crème getoppt von einem Parmesan-Espuma. Dazu nur knackig frische Schnittlauch-Chiffonade. So einfach, so intensiv, so umami. Einfach ist am schwierigsten, sehr gut.
Inzwischen hatte ich aus den beiden angebotenen Menüs 6 Gänge (135€) gewählt, selbstverständlich ohne Dessert, um Ghostwriter C. zu quälen. Aber mit einem süßen After-Dinner-Cocktail als Ärgernis für Lohnschreiber M., versteht sich (Swimmingpool, 12,5€). Auch dieser Wunsch wurde von der Bar mustergültig umgesetzt.
Als nächstes wurde ein knuspriges, gutes Sauerteigbrot
gereicht, mit spanischem Olivenöl, Fleur de sel und einer Butter aus dem Poitou.
Leider hatte auch die Küche einen kurzen Blackout, denn es bedurfte doch mehrerer, zunehmend deutlicher Fragen bis Einigkeit darüber bestand, dass die Ware leicht ranzig geworden war. Der Ersatz umso frischer. Außerdem entschuldigte sich später Chef Biedlingmaier beim Feierabendbier sehr nett für den Fehlgriff.
Bevor ich zum ersten Mal den durchaus kontrovers diskutierten Signature dish des Caroussels, die vegetarische „Faux“ gras, probieren durfte, schickte die Küche ein erneut formidables Amusement aus dem Meer
Hier überzeugte eine gebeizte und gegrillte Jakobsmuschel in Vongole-Sud, dazu Salzigkeit von der Jahrgangssardelle und schön eingebundene fruchtige Säure durch Tomatencrème. Und, um diesen kleinen Teller perfekt zu machen, etwas knusprig Schwarz-Braunes, dessen prägnanten Geschmack ich bestimmt schon hunderte Mal im Mund hatte, aber trotzdem nicht einordnen konnte: Kombu-Alge! Eine der klassischen Maki-Füllungen, hier in der Hochküche angelangt! Wie schrieb einst der Dauercollini: Toll, toll, toll!
Der Meinung, man dürfe das Publikum nicht mit mehr als drei Komponenten auf dem Teller überfordern, wurde mit diesem eher unspektakulär daher kommenden Meisterwerk nachhaltig widersprochen.
Und dann war sie da, die falsche Gänseleberterrine, täuschend echt, sogar - morbide, aber den Kritikern Right into the face! - mit Äderchen des Ausgangsproduktes.
Was der sympathische Schwabe verschmitzt lächelnd zurückwies; der Portwein sei eben so eingesickert.
Aber warum überhaupt ein tierisches Produkt nachahmen, das man aus Tierwohl-Erwägungen im Original ablehnt? Obwohl ich nicht so streng - oder wohl besser konsequent - gegen Foie gras eingestellt bin, wie einige sehr geschätzte Kolleg*innen hier, erst recht kein Vegetarier, verstehe ich die Frage nicht wirklich: Warum denn nicht Fleisch, Wurst oder andere tierische Produkte pflanzlich ersetzen, wenn man den Geschmack oder das Mundgefühl mag, aber dafür keine Tiere sterben sollen? Für mich ist allein wichtig, ob Gaumen und Zunge auch bekamen, was den Augen versprochen worden war: Für meinen Geschmack absolut! Auch der Schmelz gut getroffen.
Die Begleitung setzte einerseits auf leicht ätherische Bitterkeit mit Kumquat-Ragout und -schale, Yuzumajo und vorsichtig eingesetzter Chili. Für Struktur und Temperatur waren andererseits Sand und cremiges Eis von Graubrot zuständig. Joa, kann man machen. Ein kräftiges Aroma wäre aber wohl zu lange dominant gewesen. Mir hat die Komposition sehr gefallen. Auf diesem Niveau eine echte Alternative zur Stopfleber.
Auch der zweite Gang war tadellos: Kaninchen-Essenz.
Nun mag nicht jeder (hier) den possierlichen Nager. Liebhabern sei aber gesagt: Wow! So intensiv im Geschmack! So deutlich das Fleisch von der Keule, saftig, nicht zu salzig! Hach, ein Genuss, ergänzt durch Pastinake in Crème und einer angenehm süßen Scheibe. Für die Textur noch frisch gehobelte Haselnuss. Alles mal ganz harmonisch, kein Löcken wider den Stachel. Muss auch mal sein. Kaninchen scheint übrigens zu den Lieblingen von Benjamin Biedlingmaier zu gehören, zu Recht!
Für alle Gourmets wieder anschlussfähig der folgende Langustenschwanz
Tolles Produkt, fest im Biss und gleichzeitig zart, nussiger Geschmack. Der kandierte Yuzu war präsent, aber nicht dominant. Auch das Püree von schwarzem Knoblauch harmonierte noch mit dem Krustentierschaum. Too much dagegen das Bett von knackigem Pakchoi, der zu viel Salz hatte und das wunderbare Krustentier zugedeckt hätte. Der erste objektive Kritikpunkt des Abends.
Ärger kam jedoch nicht auf, denn der nächste Teller war ein Wohlfühlgang.
Das sous vide gegarte Heilbutt-Filet saftig, allerdings auch geschmacklich dezent, was u. a. am kräftigen Lauch lag, der als knackiges Ragout mit klarem Eigengeschmack punkten konnte. In die weiteren nicht zu bissfesten Röllchen war ein süffiger Nussbutter-Espuma gespritzt. Natürlich durfte auch ein weiteres Herzensprodukt des Küchenchefs nicht fehlen: Der geraspelte Perigord-Trüffel war natürlich präsent, aber nicht so aufdringlich wie bei meinem ersten kulinarischen Besuch in der Dresdner Neustadt. Da stimmte es mal: Lecker ist kein Schimpfwort!
Deutlich rustikaler, aber allemal nicht schlechter der folgende Fleischgang: Saftiger Leipziger Schweinebauch von LUMA mit einer fabelhaften Kruste.
Für die Schwarten-Afficionados gab es zusätzlich (viel!) gepoppte Haut. Und schon ist der Borgfelder glücklich! Erst recht, wenn es eine würzige Soße auf Basis von Tonkatsu-Brühe gibt - Umami-Rakete! Und natürlich passte die fruchtig-süße Pflaume wunderbar, die auch als Füllung des frittierten und halbierten Kartoffel-Knödels präsentiert wurde. Der vielleicht auch aus optischen Gründen beigefügte Koriandersand war schon fast entbehrlich auf diesem bis auf ein paar Knorpelchen (eh Geschmackssache) perfekten Teller, der ganz ohne Luxusprodukte auskam.
Mit einem mutigen Käsegang schloss das Menü.
Der (leider nicht angewärmte) Fourme d‘Ambert wurde auf einem mehr würzigen als sauren Sud von Cornichons serviert und mit Birnensorbet abgepuffert. U.a. kandierte Nüsse sorgten für Crunch.
Der als Begleitung angebotene Kerner erwies sich zwar als passend, aber mit dem letztlich gewählten Manzanilla (6,5€) war ich doch zufriedener.
Die Patisserie entließ mich mit drei Kleinigkeiten:
Orangen-Profiterole ganz gut, Spekulatius-Macaron mit Schoko naja, aber Zimtpraline stark. Und schon kam ja mein kleiner blauer Cocktail.
Hochzufrieden nippend konnte ich die beste Küchenleistung in Dresden Revue passieren lassen.
Und muss jetzt entscheiden, ob ein Fauxpas mit der Butter, zu salziger Pakchoi und im Durchschnitt „nur“ ordentliche petits fours einen Abzug von der Höchstnote rechtfertigen.
Nö, tun sie nicht. Wobei gleich einschränkend gesagt sei, dass es bei meinem nächsten Besuch im Caroussel schon mehr Kritik gab. Aber das ist eine andere Geschichte und mag ein anderes Mal erzählt werden.