Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren Schweinehund, der zu bequem zum Kritiken schreiben war, überwunden.
Nach etwa 100 Bewertungen hat mich der Verkauf an Yelp ausgebremst, da ich aussagekräftige Kritiken schreiben möchte, für Menschen, die gutes Essen schätzen. In einem Portal, bei dem man auch seine Wertschätzung für die Heiße Hexe an der Tankstelle veröffentlicht, fühle ich mich nicht mehr wohl und suche eine neue Kritikerheimat.
Nachdem mittlerweile (fast) alle geschätzten Kritikerinnen und Kritiker aus dem Verschwundenen Portal hierher gewechselt und ein paar mehr dazu gekommen sind, fühle ich mich wieder wohl. Ein bißchen wie im Stammlokal, man kennt/schätzt/neckt sich, tauscht Neuigkeiten aus... Eben lesen, schlemmen, schreiben.
Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
Insgesamt 291 Bewertungen 377554x gelesen 10297x "Hilfreich" 9236x "Gut geschrieben"
Geschrieben am 30.03.2018 2018-03-30| Aktualisiert am
04.04.2018
Besucht am 04.03.2018Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Auf die harte Tour:
5 Städte - 4 Abendessen - 3 Teams
Zu Beginn hieß es am Sonntagabend erst einmal:
Never change a winning team!
Nach nur zwei Wochen durfte ich erneut mit meiner gastro-affinen Kollegin Nr. 1 in Berlin tafeln.
Diesmal ging es nach Kreuzberg und es wurde deutlich klassischer, denn die Wahl fiel auf das Orania im gleichnamigen, erst vor wenigen Monaten eröffneten Hotel. Schon vor über 100 Jahren ein Ort der gehobenen Kultur und Gastlichkeit, später lange Jahre ein Bekleidungshaus der Firma Charme&Anmut. Die Homepage vermittelt den Stil des Hauses bemerkenswert gut, doch wie so oft halten sich visuelle Gestaltung und Nutzbarkeit nicht die Waage. Unter der angegebenen Telefonnummer erhielt meine Begleiterin den nützlichen Rat, es bei der Auskunft zu versuchen. Und die Öffnungszeiten sind gleich gar nicht angegeben. Der spätere Hinweis der Restaurantleitung, man gehöre ja zum Hotel und habe daher sowieso an allen Tagen geöffnet, erregt in seiner Unbedarftheit ein wenig Mitleid.
Um 20.00 Uhr waren zwei kleine Gruppen und mehrere Paare anwesend. Die Plätze wohl zu einem knappen Drittel gefüllt. Es gingen und kamen Gäste, die letzten noch um 22.00 Uhr.
Als wir durch die schweren Türen den hohen Raum betraten, nahm uns sogleich eine gastliche Atmosphäre gefangen. Gedämpftes, aber nicht schummriges Licht illuminierte zur Rechten eine lange Bar, davor Loungesessel. Am Ende des Raumes auf einem Podest ein veritabler Konzertflügel.
Links im Hintergrund eine offene, große Küche, in der vier Köche ruhig werkelten.
Davor ein ungemein einladender Raum mit Ausblick auf den Oranienplatz. Hölzer in der Farbe alten Cognacs, Wildleder zum Teil auch an den Wänden, freundlich bezogene Bänke und Cocktailsessel, in denen man auch längere Zeit bequem und gestützt sitzen kann. An der Stirnseite ein Kamin,
in dem nicht Gasflammen, erst recht nichts Elektronisches loderten, sondern echte Holzscheite, vom Personal regelmäßig umgeschichtet und nachgelegt. Die goldene Elefantenprägung auf den Sesseln verstärkte meinen Eindruck einer luxuriösen Lodge.
Der Feuerstelle gegenüber fallen von den hohen Decken Volants in verschiedenen warmen Farben und schützten vor den Blicken aus dem Eingangsbereich und der Bar
Ein wunderbarer Raum zum Verweilen und Entspannen.
Nach dem Eintreffen von den jungen, ausschließlich weiblichen Kräften kurzzeitig ignoriert (Die Servietten wollten sorgsam aufgefüllt sein, da mag selbst ein kurzes „Bin gleich bei Ihnen!“ der Konzentration schaden.), wurden uns mehrere Tischen angeboten und wir zu dem Gewählten am Fenster begleitet. Die Mäntel hingen dabei schon über dem Arm der Servicefee, mustergültig. Auch später wurde fehlerlos, freundlich und insbesondere mit dem erkennbaren Willen agiert, die Wünsche der Gäste zu erfüllen - auch ohne einschlägige Ausbildung. Ein rundum nettes Team, am Ende des Abends diskutierten wir die jeweiligen Fastengebote/-versuche. Über die dandyhaften Schürzen, deren breite Lederriemen sich wie Hosenträger über dem Rücken kreuzten, schauten wir da gerne hinweg.
Die Tische am Fenster stehen sehr eng, wir konnten ohne Weiteres ein freundliches Gespräch mit dem älteren Paar über einen unbesetzten hinweg führen. Doch die Atmosphäre hat eben etwas Kommunikatives, Wohnzimmerhaftes und entspannt plaudert es sich auch mit Fremden leicht.
Direkt auf der schön furnierten Holzplatte ein schnörkelloses Robbe&Berking Besteck und ein sehr schöner Teller, dessen Motiv eines stilisierten Baumes mir japanisch inspiriert vorkam.
Ein Trauben-Secco war nicht im Angebot, also bat ich neben dem Wasser um einen frischen Grapefruitsaft. Obwohl nicht auf der Karte, legte Frau Skoda ein gutes Wort in der Küche für mich ein, übrigens genauso wie beim abschließenden Käse außer der Reihe, der ebenfalls aus den Vorräten des Frühstück organisiert schien. Später gab es noch einen Cocktail auf der Basis von Rhabarbersaft, der mit Ingwer eine fruchtig-scharfe Note hatte.
Brot kam schnell, zwar in der Papiertüte, aber „von der Markthalle 9!“, wie verschwörerisch geflüstert wurde. In diesem Kreuzberger (inzwischen wieder) Schmuckstück werden in der Tat an vielen, überwiegend festen Ständen regionale und exotische Produkte von guter Qualität und handwerklicher Herstellung angeboten, teilweise von Köchen, die genug von Sterneküche hatten. Ein Geheimtipp ist die einstige Avantgardestätte aber nun nicht gerade mehr.
Das gute, helle Hefeteigbrot hatte über den Tag etwas Knusprigkeit verloren
Dazu Salz und Butter, die direkt auf einen sauberen Papierstreifen gestrichen war
Ist nicht jedermanns Sache, spart aber immerhin Abwasch. Wir verbuchten unter Nachhaltigkeit.
Könnte aber auch Ausdruck des Sharing-Prinzips gewesen sein, das hier ein besonderes Angebot darstellt. Wie in vielen Küchen der Welt üblich, werden mehrere (vorgegebene) Gerichte zum Teilen gleichzeitig serviert.
Wir entschieden uns aber, getrennt von der angenehm übersichtlichen Karte zu bestellen, die der im Internet 1:1: entsprach. Auch hier regiert das Konzept. In diesem Fall die Konzentration auf maximal drei (Haupt-)Komponenten pro Teller, die dann dekliniert werden.
Ich fand sehr reizvoll, dass am Ende des Winters noch mehrere bittere Gemüse auf der Karte standen und entschied mich für
Büffeltartar, Chicorée und Brioche
Parmesan, Tortelloni, Blattsalat
Maispoularde, Schwarzwurzel, Trevisano.
Das Tatar zu Beginn wurde im Ring angerichtet, gekrönt von einem Wachtelei mit noch flüssigem Gelb
Das Fleisch war sehr fein gewiegt und vor allem sehr kräftig mit einem tomatisierten, pikanten Dressing gewürzt worden. Schon stimmig, aber ich hatte mich auf den besonderen Geschmack von Büffel gefreut. So konnte ich keinen Unterschied zum gemeinen Rindvieh feststellen. Die Brioche war nur leicht gegrillt, aber mit einer fein berstenden Kruste versehen. Der in den Teig eingearbeitete Senf sehr zurückhaltend. Als geschmacklicher Gegenpart setzte geschmorter weißer und eingelegter roter Chicorée
nicht nur bittrige, sondern auch säuerliche Akzente. Überraschend fanden sich im Gemüse sehr schöne kleine Grieben und ein wenig Gedörrtes vom Büffelfleisch. Passender die Crême von schwarzem Knoblauch und eine Version von Cocktailsauce.
Insgesamt noch nicht perfekt, aber sehr angenehm.
Mir gegenüber machte sich dagegen ein wenig Unzufriedenheit breit. Ein paar Birnenspalten als „Winterfrüchte“ rissen den Feldsalat nicht wirklich raus
Immerhin wurden die frittierten Käsewürfel Sciatt gelobt.
Mein Pasta-Zwischengang hatte zwei extreme Seiten.
Der Teig der Pasta war perfekt und die flüssige Parmesanfüllung ein Traum. Dazu gab es einen aufgeschlagenen Sud von grünem Salat, der durch Intensität überzeugte. Dazu Parmesanflocken und knusprige (Semmel?)Brösel. Himmlisch.
Aber aus diesen Sphären holte mich der nicht angekündigte marinierte Fenchel ganz schnell wieder herunter, bei dessen Säure sich nicht nur sprichwörtlich „alles zusammen zog“. Zumal man sich durch die groben Stücke auch nicht vorsichtig herantasten konnte. Weniger wäre hier mehr gewesen, zu schlechter Letzt auch optisch. Aber, ganz ehrlich: Ich weiß gar nicht, was die Säure in diesem Gericht überhaupt verloren hatte.
Beim Hauptgang war meine berufliche Begleitung wieder dabei. Ihr „halbes“ Entrecôte war hoch geschnitten und sah verführerisch aus
und auf dem Teller war auch ansonsten ordentlich was los.
Mit meinem Teller drängte sich allerdings eine weitere Assoziation zu Japan auf: In der U-Bahn von Tokio während der rushhour kann es auch nicht viel voller sein.
Drei dicke Tranchen Geflügelbrust auf reichlich Schwarzwurzelstangen und geschmortem Trevisiano wurden von einer ganzen Armada großer Crêmetupfer bedrängt
Zu allem Überfluss (!) schwamm das Arrangement in einem Saucentümpel. Der Service nahm mein Gebrumme ungerührt zur Kenntnis. Au weia, wer richtet solche Teller an? Auch bei genauerem Inaugenschein wenig Erfreuliches. Die schön gebräunte Poulardenhaut sah arg verschrumpelt , also erkaltet und daher weich aus. War sie im Anschnitt dann auch. In einem Schälchen wurde separat eine gebackene Praline mit Keulenfleisch
gereicht. Der etwas dick geratene Teig war feucht und weich geworden, kein Genuss. Oje, oje. Derweil schien meine Kollegin leise Topfschlagen zu spielen: „Kalt, kalt, lauwarm, kalt.“
Irgend etwas muss mit den Tellern in der Küche schief gelaufen sein. Vielleicht war mein Zwischengang vergessen worden, auf den wir lange warten mussten. Und stattdessen schon die Hauptgänge fertig gemacht? Es wurde nicht aufgeklärt, muss ja auch nicht.
Wir reklamierten umgehend und es zeigte sich, dass wir in einem Haus mit Stil waren. Kein Gemurre, uns wurde (von der Küche) angeboten, die Teller neu zu machen, was 15 Minuten dauern sollte. Nach genau dieser Viertelstunde kam der zweite Versuch und das Warten hatte sich gelohnt. Auch optisch, denn bei mir wurde etwas entschlackt, was Beilagen anging. Die Poularde durchgebraten, aber sehr saftig; die Haut knusprig.
Der Radicchio angeröstet und dann geschmort, schönes Wintergemüse. Und auch die Schwarzwurzeln tadellos, die Stangen nicht mit zu viel Biss, die Crême samtig. Auch das gebackene Bällchen war nun knusprig, der Inhalt würzig
Jetzt war das Gericht rundum gelungen, ohne herausragend zu sein.
Auf der anderen Tischseite war mit dem Fleisch nun Zufriedenheit angesagt. Die Beilage Mac‘n‘Cheese, also mit Käse überbackene Makkeroni
waren vielleicht etwas zu schlicht.
Blieb noch der Käse.
Schweizer Schnitt- und französische Weichkäse von einem sehr guten Buffet, aber ob die Ware durch die Hand eines Affineurs gegangen ist? Dazu ein schön lockeres Früchtebrot, sehr gut. Trotz der abweichenden Meinung meiner Kollegin lasse ich diesen Gang außer Bewertung. Denn an das, was auf Wunsch netterweise möglich gemacht wurde, kann nicht derselbe Maßstab wie an die Angebote der Karte angelegt werden.
Wir hatten einen schönen Abend im Orania, was besonders Service und Ambiente zu verdanken war. Die Küche hat Potenzial, war aber in ihrer Leistung unaufmerksam. Diese summierten sich, sodass die Sterneuhr diesmal bei 3,74 stehen blieb. Kein Grund, hier nicht wieder einzukehren und dem Knistern der Scheite zu lauschen!
Auf die harte Tour:
5 Städte - 4 Abendessen - 3 Teams
Zu Beginn hieß es am Sonntagabend erst einmal:
Never change a winning team!
Nach nur zwei Wochen durfte ich erneut mit meiner gastro-affinen Kollegin Nr. 1 in Berlin tafeln.
Diesmal ging es nach Kreuzberg und es wurde deutlich klassischer, denn die Wahl fiel auf das Orania im gleichnamigen, erst vor wenigen Monaten eröffneten Hotel. Schon vor über 100 Jahren ein Ort der gehobenen Kultur und Gastlichkeit, später lange Jahre ein Bekleidungshaus der Firma... mehr lesen
Restaurant Orania Berlin
Restaurant Orania Berlin€-€€€Restaurant, Bar, Hotel03069539680Oranienstr. 40, 10999 Berlin
4.0 stars -
"Wohlfühl-Oase am Oranienplatz" DerBorgfelderAuf die harte Tour:
5 Städte - 4 Abendessen - 3 Teams
Zu Beginn hieß es am Sonntagabend erst einmal:
Never change a winning team!
Nach nur zwei Wochen durfte ich erneut mit meiner gastro-affinen Kollegin Nr. 1 in Berlin tafeln.
Diesmal ging es nach Kreuzberg und es wurde deutlich klassischer, denn die Wahl fiel auf das Orania im gleichnamigen, erst vor wenigen Monaten eröffneten Hotel. Schon vor über 100 Jahren ein Ort der gehobenen Kultur und Gastlichkeit, später lange Jahre ein Bekleidungshaus der Firma
Geschrieben am 19.03.2018 2018-03-19| Aktualisiert am
30.03.2018
Besucht am 25.01.2018Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Man muss ja nicht alles verstehen, was einem gefällt.
Dachte ich bei mir, als ich rundum zufrieden das Restaurant in der ruhigen Wohnstraße am Rande der Nürnberger Innenstadt verließ. Vom Hauptbahnhof in vielleicht 15 bis 20 Minuten zu Fuß durch einen Park zu erreichen, der mich mit einem Biber-Reservat überraschte. Mit der Straßenbahtgn mögen es drei Stationen sein.
Von einem freundlichen jungen Herrn schon an der Tür in Empfang genommen und um meine Garderobe erleichtert, nahm ich sehr positiv die renovierte Raumgestaltung zur Kenntnis. Bei meinem letzten Besuch noch zu Zeiten des im Nürnberger Raum bekannten Manfred Burr tafelte man in einer Versace-Ausstellung - von den Lampen bis zu den Tellern barocke Formen und Goldrausch. Nun ein angenehm klarer Stil in warmen Brauntönen. Eine der Wände mit einem warmen Holzfurnier, die anderen mit einem glitzernden Stoff bespannt. Was sehr gut zu dem „Sternenhimmel“ aus kleinen LED-Leuchten passte, den Inhaber und Chef Fabian Denninger wohl gern entfernt hätte, aber am Veto des Verpächters scheiterte. Mir gefielen die funkelnden Punkte unter der Decke. Zusammen mit braun bezogenen Eames-Chairs, einem zurückhaltenden Teppichboden und überwiegend indirektem Licht eine Wohlfühlatmosphäre ohne jede Puppigkeit
Im ansonsten ähnlich gestalteten Nebenraum leistet man sich die Retro-Verspieltheit von Yucca-Palme, Ficus, Kaktus und Araukarie
Eher seltene Gäste in der aktuellen Sterne-Gastro-Innengestaltung. Auch die dunkle Eichenholz-Vitrine mit Edel-Bränden war überraschend, aber nicht unpassend.
Musikalisch wurde Jazz serviert, definitiv keine Fahrstuhlmusik. Als der Feierabend nahte, wurde die Lautstärke allerdings recht deutlich hoch gedreht. Bei an Profitmaximierung interessierten Gastronomen ein beliebtes Mittel, um Tische schnell zu drehen, fand ich es hier etwas befremdlich.
Die Tische gleichfalls elegant-schlicht mit zwei Decken, darauf ein kleines Grablicht und eine kleine Vase mit Tulpen. Ach, der Frühling war noch weit... Aufgerollt die übergroße Serviette, nicht gefaltet. Das Silberbesteck klassisch auf Bänkchen. Als Setzteller diente eine Glasplatte, unter der das Menü lag
Pfiffig! Weniger Hantieren am Tisch mit großen Karten nebst Scherbenrisiko und trotzdem immer den kommenden Gang buchstäblich vor Augen. Sympathisch auch, dass unter den Willkommensgrüßen in der Weinkarte das gesamte Team unterschrieben hat.
Die Tische stehen nicht zu eng, aber eine passive Teilnahme am Leben der Anderen ist nicht völlig zu vermeiden. Einerseits kam ich so in den zweifelhaften Genuss mehrerer Gratulationstelefonate der Geburtstagsgesellschaft in der Ecke. Aber auch der Schlagfertigkeit einer hochbetagten Dame am Nebentisch, die schon die Aufzählung der Aperitife mit der trockenen Bemerkung unterbrach, dass sie nichts gegen Champagner einzuwenden habe. Als später etwas manieriert ein Zweitwein als „Kleiner Bruder von...“ angepriesen wurde, legte sie kokett nach: „Gegen kleine Brüder hab ich eigentlich auch nichts.“ Lady, you made my day!
Auffällig ein einzelner Herr, der ebenfalls Fotos machte. Ha! Etwa ein Kollege von Gastroguide? Beim Verlassen des Lokals stürzte ihm der Chef hinterher und erschien auch nach erst 10 Minuten wieder. Meine Nachfrage bestätigte der Service, allerdings vermutete man hier keinen GG-, sondern vielmehr den Michelin-Kritiker auf Wiederholungsbesuch. Aber die machen ja auch einen ganz guten Job...
Die Toiletten nach der Renovierung sehr ansprechend gestaltet, ein Stapel Gästehandtücher in verschiedenen kräftigen Farben machte (mir) gute Laune.
Zum angenehmen Aufenthalt trug der Service durch Sommelier Herrn Vietzhum bei, der von einem jungen, gut ausgebildeten Kollegen unterstützt wurde. Beide agierten souverän und freundlich, dabei klassisch von der Hilfe mit dem Stuhl, über das Tischchen für die Handtasche bis zur persönlichen Verabschiedung an der Haustür. Auch ein Taxi wurde angeboten.
Schon gab die Küche auf drei Probierlöffeln eine erste Probe ihres Könnens
Ein kleines Stück Waller mit schöner Röstnote und frischer Begleitung von Apfel und Beete war mein Favorit. Auch die Buchweizencrême mit Enoki auf einem sehr knusprigen selbst gebackenen Knäckebrot hat überzeugt. Beim Stück von der Königskrabbe irritierte etwas Wässrigkeit, zudem kam die Süße der Karotte nicht gegen einen unerkannten, sauren Mitspieler an.
Vielfalt schien hier Programm zu sein.
Der zweite Gruß war noch besser
Die saftige Wachtelroulade mit ausgelassenen Lardo-Streifen und Röstzwiebelpüree war zum „Reinsetzen“ umami.
Die Weinberatung nahm meine Wünsche gut auf. In der überlegt sortierten Karte mit einem Schwerpunkt fränkischer Gewächse findet sich nur die alte Welt, was mit der rhetorischen Frage erläutert wurde: „Welchen Sinn macht es, zum regionalen Rehrücken argentinischen Malbec zu servieren?“ Das kann man unter Nachhaltigkeitsaspekten so sehen.
Wir einigten uns als Headliner auf einen Chassagne-Montrachet Les Macherelles 2014 von Thomas Morey, der trotz seiner Jugend (also der Wein - Herrn Morey kenne ich ja gar nicht) schon kraftvoll und komplex war. Dekantiert trat das Holz zurück und der Wein gewann von Minute zu Minute. Sehr fein, dass die Flasche nur kurz im Eis war, der Dekanter dann AUF den Sektkühler kam. Der beste junge Chardonnay der letzten Monate. Um die vielen Euros tat es mir nicht einen Augenblick Leid.
Sidekicks waren ein Campari-Orange zum Auftakt und ein Martini Gran Lusso zum Käse. Und dann zum Abschluss noch eine süße rote Vendage tardive von den Côtes du Rhône - einfach so, weil ich Lust drauf hatte.
Ich ließ an diesem Tag überhaupt meinem Geschmack freien Lauf und achtete nicht auf Wiederholungen oder Abfolgen. Hat mir auch nicht geschadet, der famose Franzose im Glas trug mich souverän durch den Abend:
Zur Begleitung wurden 5(!) eigene Brotsorten angeboten, alle gut
Die knusprigen Hefeteigstangen mit Tomaten schmeckten mir besonders gut. Dazu gesalzene Butter und eine schmackhafte, vollfette Kräutercrême.
Mit dem ersten Menü-Gang kamen vom derzeit bemitleidenswerten Schwarzkittel mehrere Scheiben confierter Speck
Es ging also mollig, vor allem aber intensiv weiter. Mit den zahlreichen weiteren Bestandteilen konnte ich weniger anfangen. Recht naturbelassene, schmackhafte Salzkartoffeln, lauwarm und exakt gegart. Majonäse mit ein paar Kümmelkörnern, ein deutlich zu groß geratener Klecks Meerettichsahne, Kartoffelchips für den Crunch, ein paar Kräutlein. Sah aus wie ein etwas dekonstruiertes, mir aber unbekanntes fränkisches Gericht. Alles lecker, die Kombi hab ich nicht verstanden. Franggen, klären Sie mich auf!i
Der Pulpo des nächsten Tellers war wohl vor dem Anbraten sous vide gegart worden, superzart bis hin zu einer etwas irritierenden Weichheit. Geschmacklich aber 1a, lauwarm mit schönen Röstnoten. Dazu Kopfsalat und Schwarzwurzel en texture
Beides am Gaumen deutlich identifizierbar. Schmeckte alles für sich vergnüglich. Aber irgendeinen Zusammenhang mit dem Oktopus konnte ich beim besten Willen nicht herstellen. Hätte ich eher beim Wildschwein erwartet.
Rundum zufrieden war ich mit dem ersten Fischgang
Anstelle Saibling war ich auf den Huchen gespannt. Ein Lachsartiger, wie auch im Anschnitt zu erkennen
Leicht glasig, wunderbar saftig und mit perfekt knuspriger Haut. Statt Zitrusfrüchten setzte Chef Denninger mit Schaum und Kernen des Granatapfels fruchtige Akzente. Die Graupen-Nocke hätte ich nicht gebraucht. Sehr gelungen auch die begleitenden Variationen vom Grünkohl: Püree, klassisch (aber fettfrei) gedünstet, roh süß-sauer-pikant eingelegt und schließlich auch noch frittiert. Das war spannend, auch wenn weniger nicht geschadet hätte. Das überfordert mich und dann wird nur noch abgearbeitet.
Im Menü folgte Adlerfisch ebenfalls auf der Haut gebraten
Ich unterstelle, dass der etatmäßige Saibling anders zubereitet gewesen wäre.
Der weiße Fleisch etwas weiter gegart, aber tadellos, ebenfalls die Haut. Fruchtsäure kam dieses Mal von Pomelostückchen, die etwas sparsam portioniert wirkten. Was auch an den überbordenden Varianten von Sellerie und Weizen gelegen haben mochte. Etwas viel l‘art pour l‘art, auch wenn mir die frittierte Knolle und das gepuffte Getreide schon gut gefallen haben.
Vor dem Hauptgang ein Gin-Granité mit Bitterzitronen-Gel zur Erfrischung
An sich bin ich für Sorbets und Granités mit Alkohol wegen der leichten Bitterkeit durchaus zu haben. Hier verstärkten sich die Komponenten in dieser Hinsicht aber doch zu stark.
Die Abteilung Fleisch war durch eine dann wieder famose Entenbrust in zwei dicken Scheiben vertreten
Und auch hier die Haut mit schönen Röstnoten und einem feinem Knusper. Mit dem Salamander kann die Küche bestens umgehen.
Das intensive Geflügel nur knapp rosa, nicht bei allen geliebt, aber ich mag es durchaus.
Die Beilagen - Steckrüben und Spinat - passten gut und paradierten wieder in diversen Zubereitungen. Alles schmackhaft, aber keine bleibende Erinnerung. Die Currysauce mit schöner Kardamomnote und nicht zu scharf brachte eine schöne Exotik ins Spiel.
Der abschließende regionale Heukäse zeigte, dass weniger eben mehr sein kann
Mandarine als Gel und Filets mit feiner Schärfe einerseits. Und andererseits Fenchel mariniert, als Crême und nur wenige Samenkörner. Beide Zutaten zauberten viele spannende Kombinationen. Da musste ich aufpassen, dass die beiden Käsestücke nicht zu schnell verschwanden. Manchmal ist weniger leider auch weniger!
Die bittrig-würzige Martini gab weitere interessante Geschmacksnuancen dazu, eine durchaus schlaue Wahl des Hauses.
Die abschließende Spätlese von der Rhône war ok. Aber wenn schon rot und süß, dann lieber einen kalifornischen Zinfandel.
Die Entenstuben verabschiedeten mich satt und zufrieden mit vier Kleinigkeiten in die Nacht
Ein Marzipan mit Quittengel, ein Brownie mit Topping von weißer Schokolade, ein Zimt-Marshmallow und - mein Favorit - ein Whisky-Zitrus-Gelee.
Fazit:
Der immer noch junge Fabian Denninger probiert weiter aus. Geschmacklich schon auf einem sehr guten Weg, verirrt er sich derzeit bei zu vielen Spielereien. Bei größerer Konzentration auf die Produkte ist hier noch erhebliches Potenzial. Leckere Wohlfühlküche war es aber auch jetzt schon.
Man muss ja nicht alles verstehen, was einem gefällt.
Dachte ich bei mir, als ich rundum zufrieden das Restaurant in der ruhigen Wohnstraße am Rande der Nürnberger Innenstadt verließ. Vom Hauptbahnhof in vielleicht 15 bis 20 Minuten zu Fuß durch einen Park zu erreichen, der mich mit einem Biber-Reservat überraschte. Mit der Straßenbahtgn mögen es drei Stationen sein.
Von einem freundlichen jungen Herrn schon an der Tür in Empfang genommen und um meine Garderobe erleichtert, nahm ich sehr positiv die renovierte... mehr lesen
4.0 stars -
"Ein angenehmer Abend mit Überraschungen" DerBorgfelderMan muss ja nicht alles verstehen, was einem gefällt.
Dachte ich bei mir, als ich rundum zufrieden das Restaurant in der ruhigen Wohnstraße am Rande der Nürnberger Innenstadt verließ. Vom Hauptbahnhof in vielleicht 15 bis 20 Minuten zu Fuß durch einen Park zu erreichen, der mich mit einem Biber-Reservat überraschte. Mit der Straßenbahtgn mögen es drei Stationen sein.
Von einem freundlichen jungen Herrn schon an der Tür in Empfang genommen und um meine Garderobe erleichtert, nahm ich sehr positiv die renovierte
Die „Umbauarbeiten“waren mal wieder Chronik eines angekündigten Todes: Das kleine Lokal mit pfiffiger deutscher Küche und extra-ordinären Stullen ist Geschichte. Stattdessen Allerwelts-„Italiener“. Sehr bedauerlich, aber so wird sicher mehr Geld gemacht.
Aufruf: Wo ist Shakira, die fröhlichste Bedienung seit es Kellnerschürzen gibt?
Die „Umbauarbeiten“waren mal wieder Chronik eines angekündigten Todes: Das kleine Lokal mit pfiffiger deutscher Küche und extra-ordinären Stullen ist Geschichte. Stattdessen Allerwelts-„Italiener“. Sehr bedauerlich, aber so wird sicher mehr Geld gemacht.
Aufruf: Wo ist Shakira, die fröhlichste Bedienung seit es Kellnerschürzen gibt?
Antons simply delicious
Antons simply delicious€-€€€Restaurant0421 17865000Knochenhauer Straße 4, 28195 Bremen
0.5 stars -
"Und Schluss!" DerBorgfelderDie „Umbauarbeiten“waren mal wieder Chronik eines angekündigten Todes: Das kleine Lokal mit pfiffiger deutscher Küche und extra-ordinären Stullen ist Geschichte. Stattdessen Allerwelts-„Italiener“. Sehr bedauerlich, aber so wird sicher mehr Geld gemacht.
Aufruf: Wo ist Shakira, die fröhlichste Bedienung seit es Kellnerschürzen gibt?
Geschrieben am 25.02.2018 2018-02-25| Aktualisiert am
29.03.2018
Besucht am 18.02.2018Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 102 EUR
Ein früher Termin am Montag führte mich wieder in die Hauptstadt. Glücklicherweise mit einer Kollegin, die für gutes Essen schwärmt. Und so machten wir uns am Eröffnungstag der diesjährigen Berlinale nach Westen auf. Nämlich ins Herz des kulinarischen Imperiums von The Duc Ngo rund um die Kantstraße. Der umtriebige Innovator insbesondere der asiatischen Küche in Berlin, die er mit einem coolen Hauptstadt-Twist versieht, ist einem noch größeren Publikum durch die Ausstrahlung seiner Battle mit Tim Mälzer bei Kitchen Impossible vor einigen Wochen bekannt geworden.
Wunsch-Ziel wäre das derzeit sehr angesagte 893Ryotei gewesen, in dessen dunkler Gangster-Atmosphäre japanische und Nikkei-Küche zelebriert wird. Wie so häufig fiel der Besuch wegen Schließzeit am Sonntag aus. Also zogen wir (telefonisch reservierend - ohne hagelt es Wartezeit in der Welt von Kuchi und Co.) ein Lokal weiter ins Eckhaus Kant- und Schlüterstraße, in dem lt. Homepage „frischeste Meeresfrüchte“ auf uns warteten.
Zwischen beiden Restaurants, in einem recht kleinen Raum werden die Fische übrigens verarbeitet. Besonderheit: Auch dort ein Schaufenster zur Kantstraße, so dass tout Berlin beim Filetieren zuschauen kann.
Als wir das Lokal fast 30 Minuten vor der gebuchten Zeit betraten, schlug uns Hauptstadt-Atmosphäre entgegen. Ein lebendiges Stimmengewirr, umher eilende junge hippe Bedienungen, stylisches Lichtkonzept. Wir wurden schnell in Empfang genommen. Da unser Tisch am Fenster noch besetzt war, hätten wir an der Bar warten können. Allerdings wurde fürsorglich darauf hingewiesen, dass die Sitzgelegenheiten wie alle an den Schaufensterfronten keine Rückenlehnen aufweisen. Im Angebot waren alternativ zwei Plätze am Ende einer langen Tafel im zweiten, unmittelbar anschließenden Raum, die wir dankbar annahmen. Zwar auf harten einfachen Holzstühlen, aber immerhin. Wir waren später sehr zufrieden. Hier saßen wir zwar in der Ecke, aber das ermöglichte trotz der Geräuschkulisse ein Gespräch in halbwegs normaler Lautstärke. Vor der Wand mit den vielen funky Fischen, die als Corporate Design fungieren, hatten wir auch hier genug zu sehen. Es herrschte Geschäftigkeit, die Plätze werden sicher zwei bis dreimal am Abend gedreht. Selbst um 22.00 Uhr kamen noch neue Gäste. Das Publikum ist gemischt, junge Leute, Paare, gleich mehrere mit kleinen und kleinsten Kindern, die durch das Restaurant geschaukelt werden. Vater und Sohn, Einheimische und Gäste. Sicher auch etliche (Film-)Kunstschaffende, wie die Gespräche verrieten, die in unserer Nähe auf Deutsch, Englisch und Italienisch geführt werden. Es setzt ein heiteres Promi-Raten ein, vielleicht waren es auch nur Look-a-likes. Egal, gehört für mich in Berlin dazu.
Alternativ wurde unsere Aufmerksamkeit von der Innengestaltung gefesselt, die wieder von Hyun-jung Kim entworfen wurde. Die koreanische Künstlerin ist an einigen Läden Ngos beteiligt. Neben der großen bunten Wand ist die Decke ein Hingucker. Unter den offen gelegten Betonkassetten verschiedenfarbige Neon-Installationen
Auch die Wände im Raw-Design, was gut zum rustikalen Mobiliar aus hellem Holz und dunklem Metall, teilweise als Hochgestühl passt. Kontrapunkt ist der warme rot-braune Parkettfußboden. Durch diesen Gegensatz wirkt die Ausstattung, obwohl in sich stimmig, charmant vorläufig. Das hat etwas von Pop-up, von Nimm-den-Trend-mit, morgen könnte er vorbei sein. Carpe diem in der pulsierenden Gastro-Szene von Berlin. Ich habe mich sehr wohl gefühlt.
Was mit daran lag, dass das Personal keineswegs von oben herab agierte. Junge, bis auf die Restaurantleiterin sicher nicht ausgebildete Menschen jeden Geschlechts, die aufmerksam und fix waren. Viel Warenkenntnis schien nicht vorhanden, jedenfalls wurde die auf Knoblauch zielende Frage nach dem Inhalt des Paté Patata Bacalhau mit „Das is so mit Fisch drin.“ eher unbefriedigend beantwortet. Ich will allerdings nicht ausschließen, dass wir uns an eine der Bedienungen gewandt hatten, die wohl nur fürs Auftragen der Getränke zuständig sind. Diese durchaus effektive Arbeitsteilung birgt immer die Gefahr von Übermittlungsfehlern, so auch bei unserem Besuch. Aber falsches Mineralwasser und fehlendes Eis waren schnell und ohne Aufhebens korrigiert, für eine verspätete Beilage vermute ich eher die Schuld bei der Küche. Von Zeit zu Zeit verschwand der Service durch zwei leichte Schiebetüren, die an traditionelle japanische (und koreanische?) Wohnungen erinnern, hier aber in schwarz und blinkendem Silber künstlerisch aufgeladen waren. Erst auf dem Weg zur U-Bahn sahen wir den Grund. Nur durch die Türen getrennt, schließt sich das neueste Produkt der ungebrochenen Innovationsfreude Ngos an, das Taki White Rabbit. Erst vor drei Wochen eröffnet, wird hier von 9 to 8 täglich außer Sonntags Clean Eating serviert. Ein Trend, der mir wie alle extremen Ernährungs-Philosophien etwas suspekt ist.
Auf der Karte des Funky Fisch dagegen ein Mix derzeit angesagter Küchen. Frittiertes (auch Gemüse) im japanisches Tempura-Teig und Carpaccios von Fisch und Oktopus. Statt der schon im Mainstream angekommenen Anden-Ceviches gibt es Nikkei-Küche in Form des hawaiianischen Poke. Eine Besonderheit überrascht doch. Wohl aufgrund der Herkunft des Chefkochs stehen einige portugiesische Spezialitäten auf der Karte, so Escabeche, das schon erwähnte Kartoffelpüree mit Stockfisch, Gambas oder auch Reis à portuguesa.
Etliche Empfehlungen spielen mit den Erwartungen an ein Fischrestaurant, vom Fischbrötchen bis zur Seezunge Savoy.
Aber natürlich reizt uns auch der im Eingangsbereich in einer großen Theke auf Eis angebotene Fisch, der nach Gewicht bezahlt, gegrillt oder gedämpft und mit einigen Kleinigkeiten serviert wird.
Meine Kollegin entschied sich erstmals für Mahi-Mahi (130€/kg), bei mir sollte es ein Filetstück vom Steinbutt (110€/kg) sein, so dass die 200g-Stücke ergo mit 27,2€ und 22€ berechnet wurden. Das entspricht nach meiner Wahrnehmung etwa dem Zweifachen des Ladenverkaufspreises; den Preis fand ich fair, man zahlt zudem genau die Menge, die man möchte. Wie stets beim Baukastensystem treiben die Beilagen den Preis hoch. Die Filets wurden direkt aus dem Fisch geschnitten, der Butt ein wahrer Prachtbursche, der für 200€ im Ganzen über die Theke gegangen wäre. Während ich noch den Kaventsmann bewunderte, kam Duc der Innovator persönlich um die Ecke und wir plauderten über die Auslage. Seine Empfehlung war der Adlerfisch, ich blieb beim Steinbutt, dazu Reis auf portugiesische Art (5€).
Zum Einstieg hatten wir das gemischte Tempura (14€) gewählt. Da für Carpaccio nur noch Tintenfisch zur Verfügung stand, wechselte ich kurz entschlossen zum Lachs-Poke (als Zwischengericht 8€, Hauptspeise das Doppelte). Meine Begleitung passte, da sie die hawaiianische Küche für zu scharf hielt.
Zunächst ließ ich mir (notgedrungen) frischen Grapefruitsaft mit Soda und Eis 5€, uh!) schmecken. Wasser kostete 2,5€/6,5€.
Dazu wurden angewärmtes Baguette und wohl selbst eingelegte Oliven mit Kräutern gereicht
Das Tempura war in einem sehr leichten Teig typisch knusprig ausgebacken und vernünftig entfettet. Welten entfernt vom traditionellen deutschen Backfisch mit seiner dicken und im schlechtesten Fall fettigen Panade. Was die Inhalte anging, wusste schon die Mutter von Herrn Gump: Fritta mista ist wie eine Pralinenschachtel - Man weiß nie, was man bekommt. In diesem Fall waren Gemüse und Süßkartoffel o.k. Die Garnele knackfrisch und der Kabeljau wunderbar saftig. Nur die dicken Streifen Tintenfisch hätten zarter sein können. Da meine Kollegin erst jetzt von ihrer heimlichen Liebe zu Fish‘n‘Chips erzählte, orderten wir flugs noch eine weitere Portion nur mit Kabeljau. Dabei erfuhren wir en passant, dass hier nicht die Küche das Tempo vorgibt, sondern die Gänge vom Service abgerufen werden. Hat mich positiv überrascht.
Das reine Fisch-Tempura war vorzüglich. Was ebenso für die leichte, zitronige Majonäse galt
Für mein Poke war erfreulich fetter Lachs in kleine Stücke geschnitten und mit Würfeln von Gurke und Tomate, Lauchzwiebeln, einem neutralen Öl, einem Hauch Sojasauce und Sesamsaat vermengt worden
Schärfe war nur ganz leicht im Abgang zu ahnen, Säure war gar nicht im Spiel, das ist wohl der große Unterschied zum Ceviche, so dass
der Fisch nicht anzieht. Die Kombination ließ dem Lachs viel Raum, schmeckte frisch. Nichts Weltbewegendes, aber zufriedenstellend.
Unsere vielleicht etwas zu akribische Inspektion des Schüsselinhalts sorgte für Heiterkeit bei den Gästen am oberen Ende der Tafel.
Wir hatten uns beide beim Hauptgang für die gegrillte Variante (wohl eher Platte denn Rost) entschieden. Das hatte die Küche mustergültig hinbekommen. Mein Butt war wunderbar goldgelb
und mit etwas Olivenöl umträufelt
Das Fleisch war durchgegart
was überhaupt nicht störte, denn das Exemplar war für den Plattfisch ausgesprochen fett. Was sich nun wiederum beim Geschmack positiv bemerkbar machte, den ich zwischen Seezunge und Scholle ansiedeln möchte. Auch meine Mitschlemmerin war mit ihrer Goldmakrele sehr einverstanden.
Die Beilagen überzeugten weniger. Etwas selbst gemachte Remoulade, in der Konsistenz fein, die Einlage eher grob. Der Tomaten-Chipotle-Salsa
fehlte Würze wie Schärfe. Das eingelegte Gemüse entpuppte sich als kleines Röschen Blumenkohl, arg sauer. Dann noch etwas geschnittene rohe Zwiebel mit Petersilie und ein Zitronenachtel. Zum Steinbutt passte nichts. Die Präsentation uninspiriert. Passend dazu wurde nicht auf einem Teller angerichtet, sondern auf einem Blechtablett mit Pergamentpapier-Auflage
Das war mir (als einziges) doch zu viel Mitte statt Charlottenburg.
Ganz schwach der portugiesische Reis
der zudem wohl in der Küche vergessen wurde und erst mehrere Minuten später an den Tisch kam. Völlig zerkocht (das Bild schmeichelt), mit nicht enthäuteten Tomatenbrunoises und geschmacklosen Zwiebeln, zudem von aufdringlicher Säure. Salz, Frische, Kräuter - alles Fehlanzeige. Hanseat1957 als Kenner der lusitanischen Küche wird uns sicher eine Einordnung geben.
Trotzdem verließen wir nach einem anregenden Besuch gut gestimmt ein Lokal mit funktionierendem Konzept.
Fazit:
Das Gesamtpaket stimmt. Die deutsche Schreibweise Fisch macht deutlich, dass das Produkt ernst genommen wird und nicht hinter dem vorhandenen Funk verschwindet. Kulinarische Aha-Erlebnisse dürfen jedoch nicht erwartet werden.
Alles in allem: Wenn es sich wieder ergibt.
Ein früher Termin am Montag führte mich wieder in die Hauptstadt. Glücklicherweise mit einer Kollegin, die für gutes Essen schwärmt. Und so machten wir uns am Eröffnungstag der diesjährigen Berlinale nach Westen auf. Nämlich ins Herz des kulinarischen Imperiums von The Duc Ngo rund um die Kantstraße. Der umtriebige Innovator insbesondere der asiatischen Küche in Berlin, die er mit einem coolen Hauptstadt-Twist versieht, ist einem noch größeren Publikum durch die Ausstrahlung seiner Battle mit Tim Mälzer bei Kitchen Impossible vor... mehr lesen
Funky Fisch
Funky Fisch€-€€€Restaurant03023531686Kantstr. 135-136, 10625 Berlin
3.5 stars -
"Im Reich des Duc" DerBorgfelderEin früher Termin am Montag führte mich wieder in die Hauptstadt. Glücklicherweise mit einer Kollegin, die für gutes Essen schwärmt. Und so machten wir uns am Eröffnungstag der diesjährigen Berlinale nach Westen auf. Nämlich ins Herz des kulinarischen Imperiums von The Duc Ngo rund um die Kantstraße. Der umtriebige Innovator insbesondere der asiatischen Küche in Berlin, die er mit einem coolen Hauptstadt-Twist versieht, ist einem noch größeren Publikum durch die Ausstrahlung seiner Battle mit Tim Mälzer bei Kitchen Impossible vor
Geschrieben am 22.02.2018 2018-02-22| Aktualisiert am
23.02.2018
Besucht am 18.02.2018Besuchszeit: Mittagessen
Eine geschäftliche Einladung am Sonntagmittag brachte mich in diese alteingesessene Speisewirtschaft im gehobenen Stadtteil Uhlenhorst nahe der Alster.
Hier wird gutbürgerlich gekocht mit norddeutschem Schwerpunkt.
Roulade, Sauerbraten, Pannfisch, Labskaus usw. Die Kartoffel in allen Variationen dominiert die Beilagen. Wer Nudeln bestellt, ist Individualist, wer Reis möchte, gilt als Exot.
Dazu passt die Einrichtung. Hier ist - ganz sicher bewusst und gewollt - die Zeit stehen geblieben. Ist der schwere, den Wind abhaltende Vorhang durchschritten, erwartet den Gast im tadellos sauberen Souterrain des Reihenhauses ein etwas puppenstubiges Wohnzimmer, mit einigen maritimen Accessoires
Dazu Bilder, Zeichnungen, Strohblumen, nachgemachte Spirituosen-Fässchen, auf alt gestimmte Hängelampen und dies und das
Was sich halt so in Jahrzehnten ansammelt und von den Inhabern als dekorativ angesehen wird. Die Holzstühle und -Bänke immerhin etwas gepolstert, auf den dunkel gebeizten und lackierten Tischen Spitzendeckchen und Läufer, eine Kerze im üblichen Henkelleuchter. Meins ist der Stil eher nicht. Tat aber auch nicht weh.
Dem Publikum gefällt es anscheinend. Schon um 12.00 Uhr waren einige Tische besetzt. Um 13.00 Uhr herrschte reges Kommen und Gehen. Was nicht nur für die einzige Bedienung (vor dem Tresen) galt, sondern auch für die Gäste. Gemütliches „Abhängen“ steht hier nicht auf dem Programm. Drei Gänge in 45 Minuten dagegen sind überhaupt kein Problem.
Vorteil ist die angenehm niedrige Geräuschkulisse. Hier wird sich auf die Nahrungsaufnahme konzentriert und etwaige Gespräche in gedämpfter Tonlage geführt. Hat ja auch sein Gutes.
Die Gäste sind überwiegend ältere Semester. Von (einigen) Fünfziger zu (vielen) Achtzigern dürfte dem Augenschein nach die Spanne gelegen haben, vermutlich auch darüber.
Die weibliche Servicekraft - auch mit einiger Lebenserfahrung gesegnet - war flott unterwegs. Aufnahme, Bedienung, Nachfrage, Abräumen, das ging alles ratz-fatz. Vergessen wurde nichts, eine Falschlieferung war unserer unklaren Ansage geschuldet, die Zufriedenheit wurde ebenso erfragt wie weitere Wünsche. Gefühlt allerdings im 2-Minuten-Takt. Bei soviel Zackigkeit blieb für ein Schwätzchen am Tisch keine Zeit. Machte auch nicht den Eindruck, dass sie da was vermisst hätte, die Gute. Nicht unfreundlich, eher trocken und konzentriert.
Bei soviel Effektivität gilt wie stets: Entscheidend is aufm Teller! (Schrieb ich das nicht schon ein- oder zweimal zuvor?)
Und deshalb sei ein großes Lob vorangestellt:
Die Bratkartoffeln waren die besten seit langer Zeit. Goldbraun, knusprig außen, heiß und weich innen, (nach meinem Geschmack) mit nicht zu salzigem Speck und sanft zu Weichheit und Süße geschmorten Zwiebeln
Wenn es nur danach ginge, gäb’s 5 Sterne für die Küche.
Wobei Weichheit und Süße eigentlich Programm war. Dazu muss man wissen, dass sich die Küche des Hamburger Großraums durch eine große Vorliebe für Zucker an herzhaften Speisen auszeichnet. Ob Kartoffeln, Kohl, Salaten, Suppen, alles wird gern mit deutlicher Süße serviert. Keine Kritik daran, ist ja Geschmacksache.
Los ging’s allerdings mit einer Kraftbrühe mit Einlage, d.h. hier neben Suppengemüse vor allem Eierstich und Mettbällchen
Ersterer war von blassem Gelb, das ins Schmutzige tendierte, doch immerhin als Ei erkennbar. Letztere blieben auch blass, was den Geschmack anging. Die Brühe war o.k., doch von Kraft im Sinne von intensivem Fleischgeschmack war wenig zu entdecken. So lala, dachte ich, die Küche spart an Würze.
Zum Hauptgericht gab es neben den formidablen Erdäpfeln aus der Pfanne einen extra bestellten Gurkensalat
der dem oben beschriebenen Hamburger Weg alle Ehre machte. Dünne geschälte Scheiben in Sahne und zuckersüß. Da war keine Frische, keine Säure, kein Salz. Immerhin ging es mal ohne Flecken auf dem schwarzen Hemd ab, was bei den schlabberigen Scheibchen gar nicht so einfach war.
Als reguläre Begleitung gab es Rotkohl, der wie alle Beilagen gesondert serviert wurde
Das ist vorbildlich.
Keinerlei Biss, ebenfalls sehr süß und irritierend nach Kirsche schmeckend.
Blieb die mittägliche Hauptdarstellerin des Mahls, eine Rindsroulade mit Füllung.
Optisch ein Prachtstück
auch wenn das Sonnenlicht mehr Röstung vorgaukelte, als tatsächlich da war.
Das Fleisch so mürbe, dass es mit der Zunge am Gaumen zu zerdrücken war. Das galt allerdings auch für das klassische Innenleben von saurer Gurke und gestreiftem Speck
Wenn beide Komponenten letztendlich nur noch Mus sind, wurde vielleicht doch etwas lange geschmort. Und, wie jetzt schon erwartet, kaum gewürzt. Salz, Pfeffer oder gar Senf waren, wenn überhaupt, nur in homöopathischer Dosis vorhanden. Auch der schön glänzenden Sauce
die reichlich auf dem Teller und in einer Sauciere gereicht wurde, fehlte das Gerüst. Sie war kaum angedickt, hatte viele Fleischfetzen, was bei der fast zerfallenden Rolle nicht verwunderte, blieb aber lasch. Zwar hab ich nachgewürzt, aber ohne ausreichenden Bratensatz eben keine Röststoffe und kein kräftiger Eigengeschmack.
Alles in allem hat das Opitz etwas enttäuscht, dabei hätte es Zeug zu einem Knaller. Die Optik auf den Tellern war klasse, das Ambiente zumindest stimmig. Aber bitte nicht alles so gnadenlos übergaren und im Gewürzregal nicht nur in die ganz große Zuckerdose greifen.
Die grandiosen Bratkartoffeln retten den dritten Stern.
Keine Preise, meine Gastgeber zahlten. Bei der Nachschau einzelner Positionen im Internet komme ich zu einem leicht überdurchschnittlichen PLV.
Eine geschäftliche Einladung am Sonntagmittag brachte mich in diese alteingesessene Speisewirtschaft im gehobenen Stadtteil Uhlenhorst nahe der Alster.
Hier wird gutbürgerlich gekocht mit norddeutschem Schwerpunkt.
Roulade, Sauerbraten, Pannfisch, Labskaus usw. Die Kartoffel in allen Variationen dominiert die Beilagen. Wer Nudeln bestellt, ist Individualist, wer Reis möchte, gilt als Exot.
Dazu passt die Einrichtung. Hier ist - ganz sicher bewusst und gewollt - die Zeit stehen geblieben. Ist der schwere, den Wind abhaltende Vorhang durchschritten, erwartet den Gast im tadellos sauberen Souterrain des... mehr lesen
3.0 stars -
"Hier ist die Zeit stehen geblieben" DerBorgfelderEine geschäftliche Einladung am Sonntagmittag brachte mich in diese alteingesessene Speisewirtschaft im gehobenen Stadtteil Uhlenhorst nahe der Alster.
Hier wird gutbürgerlich gekocht mit norddeutschem Schwerpunkt.
Roulade, Sauerbraten, Pannfisch, Labskaus usw. Die Kartoffel in allen Variationen dominiert die Beilagen. Wer Nudeln bestellt, ist Individualist, wer Reis möchte, gilt als Exot.
Dazu passt die Einrichtung. Hier ist - ganz sicher bewusst und gewollt - die Zeit stehen geblieben. Ist der schwere, den Wind abhaltende Vorhang durchschritten, erwartet den Gast im tadellos sauberen Souterrain des
Geschrieben am 18.02.2018 2018-02-18| Aktualisiert am
26.03.2018
Besucht am 28.12.2017Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 308 EUR
Die Gastro-Führer sind sich weitgehend einig: In Deutschlands zehntgrößter Gemeinde hat man den Anschluss an die kulinarischen Entwicklungen verloren. Seit vier Jahren kein Michelin-Stern mehr in der Stadt. Ein einziger Bib-Gourmand nur im noch strukturschwächeren Bremerhaven. Der Gault Millau wertet aktuell gleich 4 von 6 gelisteten Restaurants ab. Die Reaktion darauf überraschend: „Die Tester haben halt einen schlechten Tag erwischt/Die stören sich doch nur an fehlenden Tischdecken und einfachem Besteck/Wir kochen für Gäste, nicht für Kritiker/Der Laden ist voll, also sind wir auf dem richtigen Weg“
Selbstkritik sieht anders aus. Aber vielleicht liegt es ja tatsächlich nur an den abgehobenen Ansprüchen.
Schaun mer mal, wie die üblichen Verdächtigen sich so schlagen...
III. Der Patron
Auch 2017 machte sich PfalzPfreund MarcO74 mit seiner Herzdame wieder zum weihnachtlichen Besuch gen Norden auf. Und so konnte die (vor immerhin schon zwei Jahren begründete) Tradition gemeinschaftlicher Restaurantbesuche „zwischen den Jahren“ endgültig zur Legende werden. Wobei die üblichen Terminschwierigkeiten diesmal nur den Vorabend der Heimreise übrig ließen, was die Zecherei verantwortungsbewusst einschränkte. Gut so. Völlig in meinem Sinne. Absolut.
Dem würdigen Anlass angemessen konnte endlich auch der großzügige Gutschein (mit) verwertet werden, der mir zu meinem leider nun schon etwas zurück liegenden persönlichen Bergfest zugeeignet worden war.
Ebenfalls völlig passend zum hohen Besuch aus südlichen Gefilden ging es also zum Edel-Italiener der Stadt, empfohlen durch langjährige Michelin- und Varta-Erwähnungen. Im elegant-goldenen, aber angenehm klaren Ambiente
hält sich ein Bussi-Gehabe à la „Rossini“ im zurückhaltend hanseatischen Rahmen. Wobei altes Geld und regionale Prominenz nicht nur an diesem Abend umfänglich vertreten war und natürlich auch angemessen begrüßt und umsorgt wurde. Was aber nicht heißt, dass wir womöglich nicht mit dem sprichwörtlichen Körperteil angeschaut worden wären. Im Gegenteil erfolgte eine aufmerksame, höfliche und auch professionelle Versorgung. U.a. beeindruckte die endlich mal gut verständliche Ansage einer langen Liste von Tagesempfehlungen, die neben die erfreulich kurze ständige Karte traten. Klar, dass dann auch unsere üblichen kreuz-und-quer-Bestellungen ohne ein Wimpernzucken oder gar eine Nachfrage zu 100% korrekt an den Tisch kamen. Auch der Getränkenachschub klappte vorzüglich, manchmal wie aus dem Nichts heraus. Alte Schule, halt.
Was auch für Inhaber Gianni Ferulli gilt, der als Vertreter der zunehmend aussterbenden Gattung des italienischen Patrone auf einer erhöhten Bank mit Blick auf den Eingang residiert
dann auch mal gravitätisch durch den Raum schreitet, Stammgäste begrüßt und ab und an mit einem schalen Witzchen einen recht ordentlichen Wein als wahren Göttertrunk anpreist. Solang es mit einer guten Leistung einher geht, stört es ja nicht, in lockerer Atmosphäre kann es sogar angenehm sein. Auch die Familie war generationsübergreifend nach den Weihnachtstagen anwesend und so wurde es nach und nach gelöster, ohne den Stil eines gehobenen Restaurant zu verlieren.
Wir starteten mit einfachen Wassern für jeweils stolze 7€ und gleich auch mit einem Sauvignon 2016 von Jermann, der geschmeidig, aber nicht zu leichtgewichtig durch die Kehle floss. 39€ für die Flasche fand ich für hiesige Verhältnisse fair. Wir blieben dann auch bei der zweiten Flasche unserer Wahl treu.
Mit einer Brotauswahl
verkürzte die Küche die zur Belegung passende akzeptable Wartezeit. Bei den selbst gemachten Grissini fehlte mir Salz, die an sich sehr leckeren Krapfen waren leider nur noch wenig kross. Die zwei weiteren Brotsorten o.k. und am Besten geeignet, die glatte Thunfischcrême und das kräftige Kräuteröl als leckere Begleiter
aufzunehmen. Seit Jahren unverändert, solide, aber auch nicht mehr.
Mein Blick fiel sogleich auf den prächtigen Schinken in der Berkel-Maschine. Zusammen mit einigen Brocken Parmesan aus dem Laib
mein liebstes Hors d´œuvre beim Italiener. Die anderen am Tisch griffen dementsprechend bescheiden zu oder waren schlicht zu langsam;-)
Bei der Vorspeise schwelgten die Damen opulent bei Rinderfiletstreifen mit Artischocken und Parmesan bzw. Crêmesuppe von und mit Garnelen. Die Herren beschieden sich mit einem weiteren italienischen Klassiker, Fritto misto (12€)
Die Mischung aus knusprig ausgebackenen Zucchini und Meeresfrüchten konnte voll überzeugen. Insbesondere die Baby-Oktopusse
waren zart und voller Geschmack. Aber auch die Anchovis und Calamari
standen dem nicht nach.
Ein besonders hungriger Esser konnte dem Pasta-Gang natürlich nicht widerstehen. Aber die hausgemachten Tagliatelle in Safransauce mit Hummer hörten sich zu verlockend an und sahen auch so aus
Am Gaumen keine Enttäuschung: Die Pasta nicht verkocht, elegante, nicht zu schwere Sauce, mit Lauch kam etwas Biss und das reichlich vorhandene Hummerfleisch war fest, aber nicht zäh und geschmacklich eindeutig. Da hatte ich schon deutlich schlechteres Krustentier in deutlich teureren Restaurants. Ein festlicher Teller, der bei zwei Schlemmer*innen zu Recht die Vorfreude auf ihren Hauptgang weckte (14/18€)
Drittes Hauptgericht am Tisch ebenfalls Nudeln mit Beilage aus dem Meer, nämlich Spaghetti Vongole dazu Cime di Rapa. Wenn ich den Gesichtsausdruch richtig deutete, nicht mehr als Durchschnitt.
Ich ließ es nach den gewohnt kargen Weihnachtsmenüs krachen und orderte die Seezunge für selbstbewusste 38€. Ein durchaus respektables Exemplar wurde wunderbar braun gebraten am Tisch präsentiert und dann perfekt filetiert
Alte Schule, wie gesagt.
Sehr gutes, festes Fleisch, aber im Geschmack noch zurückhaltender als üblich. Da hatte ich mir etwas mehr versprochen. Die tausendmal gesehenen Beilagen rissen nicht vom Hocker
Wobei einzuräumen ist, dass die à point gegarten Karotten und Brokkoli intensiv erkennbar waren. Nur halt etwas einfallslos. Dagegen die Rosmarinkartoffeln sowohl sehr weich, als auch kaum gebräunt. Die einzige echte Schwäche bei meinen Gerichten des Abends.
Bei den Desserts geht das Al Pappagallo einen interessanten Sonderweg. Neben den „üblichen Verdächtigen“ kommt mehrmals die Woche der bekannte Pâtissier Peter Hauptmeyer ins Haus. Dessen farben- und aromenfreudigen Kreationen konnten wir nicht widerstehen.
Ich entschied mich für das Avocado-Törtchen mit Chili in Ganache, Passionsfrucht, Himbeeren und weißer Schokolade als schmelzende Eiskugel
Mit 12€ sogar um 2€ geringer berechnet als in der Karte ausgezeichnet. Das aktuelle „Superfood“ schmeckte wie stets, wenn es - hier in den Biskuitteig - verarbeitet wird: Höchst dezent. Auch die Chili hätte der phantastischen Schoko-Glasur mutiger Paroli bieten können. Die Macarons waren geschmacklich toll, die Knusprigkeit noch ok. Indes: Mit den fruchtigen Aromen bot sich insgesamt ein stimmiger Abschluss des Menüs; das Blattgold passte zur Einrichtung. Darauf einen Passito von Pantelleria für stramme 10€.
Fazit:
Auch wenn andere von mittelmäßiger Leistung zu überzogenen Preisen raunten: Das Al Pappagallo hat mich überzeugt. In eleganter Atmosphäre werden gute Produkte mit überzeugendem Handwerk verarbeitet. Nicht mehr, nicht weniger. Damit wird die Leistung zwar der Selbsteinschätzung des Restaurants nicht gerecht, aber das ist ja nun kein Einzelfall. Der Glamour findet überwiegend neben den Tellern statt. Ob das Gesamtpaket die Preise rechtfertigt, mag jeder Gast für sich entscheiden.
Vielen Dank an die fleißigen Fotografen!
Die Gastro-Führer sind sich weitgehend einig: In Deutschlands zehntgrößter Gemeinde hat man den Anschluss an die kulinarischen Entwicklungen verloren. Seit vier Jahren kein Michelin-Stern mehr in der Stadt. Ein einziger Bib-Gourmand nur im noch strukturschwächeren Bremerhaven. Der Gault Millau wertet aktuell gleich 4 von 6 gelisteten Restaurants ab. Die Reaktion darauf überraschend: „Die Tester haben halt einen schlechten Tag erwischt/Die stören sich doch nur an fehlenden Tischdecken und einfachem Besteck/Wir kochen für Gäste, nicht für Kritiker/Der Laden ist voll,... mehr lesen
Al Pappagallo
Al Pappagallo€-€€€Restaurant0421327963Außer der Schleifmühle 73, 28203 Bremen
4.0 stars -
"3. Heimspiel - Mein Streifzug durch die Bremer Top-Gastronomie" DerBorgfelderDie Gastro-Führer sind sich weitgehend einig: In Deutschlands zehntgrößter Gemeinde hat man den Anschluss an die kulinarischen Entwicklungen verloren. Seit vier Jahren kein Michelin-Stern mehr in der Stadt. Ein einziger Bib-Gourmand nur im noch strukturschwächeren Bremerhaven. Der Gault Millau wertet aktuell gleich 4 von 6 gelisteten Restaurants ab. Die Reaktion darauf überraschend: „Die Tester haben halt einen schlechten Tag erwischt/Die stören sich doch nur an fehlenden Tischdecken und einfachem Besteck/Wir kochen für Gäste, nicht für Kritiker/Der Laden ist voll,
Geschrieben am 09.02.2018 2018-02-09| Aktualisiert am
10.02.2018
Derzeit wegen Umbau-Arbeiten geschlossen. Sah auch so aus, also hoffen wir das Beste.
Extrem symphatisch die Entschuldigung an der der Tür, dass man nicht alle Gäste mit Reservierungen erreicht habe.
Derzeit wegen Umbau-Arbeiten geschlossen. Sah auch so aus, also hoffen wir das Beste.
Extrem symphatisch die Entschuldigung an der der Tür, dass man nicht alle Gäste mit Reservierungen erreicht habe.
Antons simply delicious
Antons simply delicious€-€€€Restaurant0421 17865000Knochenhauer Straße 4, 28195 Bremen
stars -
"Umbauarbeiten" DerBorgfelderDerzeit wegen Umbau-Arbeiten geschlossen. Sah auch so aus, also hoffen wir das Beste.
Extrem symphatisch die Entschuldigung an der der Tür, dass man nicht alle Gäste mit Reservierungen erreicht habe.
Geschrieben am 09.01.2018 2018-01-09| Aktualisiert am
10.01.2018
Besucht am 10.10.2017Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 225 EUR
Tohru Nakamura hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Nach Entdeckung und Aufsteiger des Jahres nun zum zweiten Mal (Feinschmecker, Rolling Pin) Koch des Jahres. Dementsprechend konnte der Werneckhof, das Aushängeschild der Münchner Hotelier- und Gastwirtfamilie Geisel seine 2 Michelin-Sterne und 18 G&M-Punkte verteidigen.
Mein letzter Besuch in der ruhigen Schwabinger Seitenstraße datiert noch aus der Zeit ohne diese Weihen, 2013 muss es gewesen sein. Trotzdem kann ich mich an einiges aus der japanisch-europäischen Aromenküche erinnern. Und an die umlaufende Kirschbaum-Bank in der Stuben, nur mit einem dünnen Alibi-Kissen belegt. Brutale Härte, die mich damals nach drei Stunden zu ein paar Yoga-Übungen auf der kleinen Toilette zwang. Die Stühle sind zwar besser gepolstert, aber wer möchte schon alleine den ganzen Abend die recht leere, weiße Wand anschauen?
An dieser rustikalen Sitzgelegenheit hat sich nichts getan und auch im Übrigen sind Gastraum wie Séparée unverändert. Wie angenehm, denn die schöne, über 100 Jahre alte Einrichtung mit vielen Jugendstil-Elementen vermittelt schon beim Eintreten eine gastliche Atmosphäre, auch wenn man mangels Windfang oder Flur recht unvermittelt ins Restaurant platzt. Nur ein hohes Blumenarrangement in der Raummitte schafft einen Kontrapunkt und verweist in seiner Eleganz auf die asiatischen Note der Küche.
Gut in Erinnerung ist mir auch der vormalige Gastgeber und Sommelier Ireneo Tucci, der mich u.a. mit einem formidabel gereiften Passito verwöhnte. 2015 ging die Restaurantleitung auf die herzliche Julia Pleintinger über, die heuer im Service von mehreren jungen Herren unterstützt wurde. Deren Ansagen gerieten vollständig, jedoch arg schablonenhaft, was aufgrund des sehr gut gefüllten Restaurants und der eng gestellten Tische nicht zu überhören war. Aber Souveränität braucht ihre Zeit, mit der auch das bei Nachfragen noch überschaubare Produktwissen wachsen wird. Ansonsten meist auf der Höhe. Nur das hierzulande wohl eher als Erfrischung, denn zur Säuberung gereichte oshibori kam ausgekühlt an den Tisch. Schade, das geht besser. Dafür gab’s eine frische Serviette nach Rückkehr aus dem unauffälligen Sanitärbereich.
Für die Weinbegleitung zeichnete ein leicht distanzierter Mitarbeiter verantwortlich, der meinen Wunsch nach charakterstarken französischen Weißweinen - soweit passend - erfüllen konnte.
Bei Aperitif und Digestif hatten wir ein dagegen ein paar Schwierigkeiten; vergeblich hatte ich gehofft, dass auf den Keller der zur selben Gruppe gehörenden Geisels Vinothek zurück gegriffen werden könne.
Weißen Portwein als Auftakt gab es daher zu meiner Überraschung schon mal nicht. Der ersatzweise Vermouth kam dann zunächst zweimal mit schwarzen Schwebteilchen im Kristallglas an den Tisch. Was vor dem Untergrund der blütenweiße Tischdecke und mit einem Strahler von oben allerdings auch leichter auffiel, als bei der schummrigen Beleuchtung hinter der Theke. Schwamm drüber. Schade lediglich, dass die beim ersten Versuch noch vorhandene Zitronenschale auf der Strecke geblieben war.
Erfreulicherweise stand zum Abschluss ein P.X. im Angebot. Leider war der Albalá 2011 sehr spritig, so dass ich um einen Port bat. Auch der servierte LBV von 2009 noch eher zu frisch. Alles Geschmacksache.
Die Karte listet ein 5- und ein 7-Gang-Menü (150€/180€) auf. Aber auch die Wahl à la carte ist möglich und wurde von den meisten (Freundes-, Geschäfts- und anderen) Paaren, die den überwiegenden Teil der Gäste ausmachten, auch bevorzugt. Mit Blick auf den Termin am nächsten Morgen entschied ich mich für die kleine Auswahl:
Dazu die Weinbegleitung (für die - sorry - „Freaks“ ausnahmsweise en detail):
Eingeschenkt wurden
ein junger Sauternes Lions de Suduiraut (Sauvignon gris, Sauvignon blanc, Semillon) 2011,
Chenin Blanc von der Loire Trie speciale Baumard 2010,
ein weißer Bordeaux (Sauvignon Blanc/Semillon Bordeaux) Virginie de Valandraud Thunevien/Andraud 2010,
von der Rhone ein Viognier Les Conturs de Deponcins Francois Villard 2015
und als krönender Abschluss mein geliebter Saar-Riesling Scharzhofberger GG von Kesselstatt 2013.
Bis auf den etwas beliebigen Sauternes war ich sehr zufrieden, wenn auch nicht völlig hin und weg.
75€ für 5 großzügig gefüllte, teils nachgeschenkte Gläser.
Sowohl der (im dritten Versuch) einwandfreie Vermouth als auch die beiden Dessertweine, die ja nun überhaupt nichts verbrochen hatten, gingen aufs Haus - sehr großzügig!
Die Amuses stimmten dann pointiert auf die Küche ein und werden in ihrer Vielfalt auf einer extra gereichten Karte angekündigt.
Aus der kalten Auswahl beeindruckten das pikante Rindertartar mit knusprigem Chip
und die perfekte Balance bei Süßwasser-Garnele und Königskrabbe
Dagegen fiel die Gelbschwanzmakrele ab, die von den Mitspielern mit einem zudem unbestimmbaren Geschmacksbild zu sehr überlagert wurde
In der warmen Abteilung überzeugte der schmackige Eierstich mit Beurre blanc
Und natürlich das reinste umami im puren Dashi.
Die wundervoll fluffige Teigtasche
ließ zwar Pflaume erkennen, nicht aber Shitake und Perigord-Trüffel.
Weiter ging’s mit einem Hefeteigbrot, das durch lockere Krume
und eine feinberstende Kruste begeisterte. Auch die Begleiter
Butter, Tofu-Topfenquark und besonders ein geschmacklich wie optisch intensives Schnittlauch-Traubenkernöl schienen formidabel. Prüfen konnte ich das zunächst nur kurz, denn kaum hatte ich das Prachtbrot in einer Kombi probiert, stand Frau Pleintinger mit dem ersten Gang am Tisch. Nun gebe ich ja zu, dass ich ein recht sinnliches Verhältnis zu frischem Brot habe (Sehen, Fühlen, Riechen, tatsächlich sogar Hören und dann erst Schmecken), aber das ging doch zu schnell. Was ich auch mitteilte. Etwas beleidigt - wie mir schien - zog meine Gastgeberin mit dem Teller wieder von dannen. Ein paar erklärende Worte, betreffend meine Wertschätzung für die Leistung der Küche (oder des externen Bäckers) auch bei diesem Teil des Menüs hellten die Stimmung beiderseits wieder auf.
Im zweiten Anlauf durfte ich dann die fleischigen Austern mit viel Eigengeschmack aus dem Étang de Thau genießen, die sich unter einem wie hingetupften Kräuter- und Blütengemälde versteckten
Mit eingelegten Selleriestreifen, geraspelten Maroni, Quinoa und einer fruchtig-ätherischen Bergamotte-Emulsion ergab sich ein überraschend „molliges“ (tn) Mundgefühl. Sehr, sehr guter Auftakt.
Der zweite Gang hielt das Niveau locker: Der zarteste Kaisergranat, seit es Krustentiere gibt
konkurrierte nussig-süß mit einem kunstvoll gedrehten Turm aus Auberginenstreifen und -Mus, der mit pikantem
Aprikosencoulis
gefüllt und einem Segel gekrönt war. Umschmeichelt wurde beides von einem zum Niederknien süffigen Auszug von Kaffirblättern mit Kurkuma. Wow.
Jedoch: Der nächste Gang, den ich gegen die vorgesehene Taube aus Anjou getauscht hatte, brachte den Höhepunkt des Menüs und sicher einen der, wenn nicht DEN besten Teller 2017!
Und wie herausfordernd war diese vermeintliche Kleinigkeit, denn zwei schnelle Bissen und er wäre an einem vorbei gegangen als „gutes Fleisch mit saftigem Mantel“.
Tatsächlich war das Stück super-saftiges Schweinefleisch (confiert?) kurz gegrillt worden, was für einen rauchigen Kick sorgte. Um hernach eine Auflage von Reis und feinst gerupften Taschenkrebs zu erhalten
Diese himmlische Praline
badete in einer zunächst à part gereichten Beurre blanc mit Uni
wobei ich den Seeigel erst nicht schmeckte, bevor sich im Abgang der prägnante, jodig-nussige, ganz leicht bittrige Ton durchsetzte. Gel von Satsumas steuerte feine Frucht bei. Wasabiöl setzte ebenso pikante Akzente, wie die dünnen Schnitte von verschiedenen Radis Frische und etwas Struktur mitbrachten. Ein Meisterwerk der modernen Hochküche.
Durch den Tausch des Hauptgangs ließ die Küche die Entenleber
nach hinten vor das Dessert rutschen. Vielleicht fiel deshalb auch eine Erfrischung aus, die ich bei der Leichtigkeit der Gerichte nicht vermisste.
Bei der leicht angebratenen, rosa Leber
gefiel auch der Sud, hier abwechslungsreich durch orientalische Ankläge mit Rosenwasser und Orangenblüte. Auch Richtung Orient zeigten die Beilagen Cous-Cous, getrocknete Mandeln, Blumenkohl und verschiedene Texturen der Olive; den asiatischen Touch stellte allein Yuzu-Gel her. Die ganz leicht gewürzte Leber war super, ansonsten überzeugte mich der kulinarische Ausflug in andere Weltregionen nicht so sehr, wie die vorigen Gänge. Auf diesem Niveau etwas unterkomplex, auch optisch. Darauf angesprochen, murmelte Frau Pleintinger, man wolle halt nicht immer nur Einflüsse aus Fernost... Aber warum denn nicht, wenn es so phantastisch funktioniert?
Irritiert war ich gewesen, als der Service ein Laguiole-Messer eindeckte. So fest ist Entenleber eigentlich nicht... Des Rätsels Lösung: Das schöne alte Silbermesser habe doch einige Scharten, die die Leber häßlich zerreißen würden.
Schon allein mangels eines Käseangebotes, wählte ich abschließend das Dessert.
Aber Birne an sich und erst recht diese Sorte ist ein selten gesehener Gast in deutschen Restaurants. Da war ich neugierig.
Und ich wurde nicht enttäuscht...
Das Ragout konnte mit deutlicher Säure punkten und kontrastierte gut mit dem ätherischen Anflug von Lorbeer und Verbene-Sorbet. Eiskörner und Sud von Holunder gaben rote Frucht dazu, sehr gut gemachter Mohncrisp und Hefe-Crumble und -Stroh sorgten für den Punch durch Crunch. Ebenfalls eine Pracht fürs Auge.
Auch ohne Kaffee kam ich noch zu einem mannigfaltigen „Süßen Ende“:
Heidelbeertarte mit japanischem Honig
ein eisgekühltes, witzig serviertes (eventuell etwas zu süß geratenes) Ananas-Calpis
und - mit grandiosem Understatement - schlicht als Limette
wurden die kleinen Preziosen angekündigt. Perfekt. Und dann war da noch der natürlich im Hause gebackene „Keks“
dessen Glücksbotschaft mich mit einem zufriedenen Lächeln in die Schwabinger Nacht entließ.
Fazit:
Die Küche hat geliefert, was die vielfältigen und weiter anhaltenden Lobeshymnen (kürzlich Julien Walther, troisetoiles) verheißen. Grandiose Aroma-Küche (Von den Kräutern und erst recht den Gewürzen habe ich vermutlich nur einen Bruchteil überhaupt bewusst wahrgenommen, geschweige denn identifiziert.) bei durchweg tollen Produkt-Qualitäten. Keine Schwächen, nur „Toll! Toll! Toll!“ mit mehr oder minder starken Ausreißern zu „Phänomenal!“
Dass es trotzdem insgesamt kein perfekter Besuch war, lag eher am Drumherum. Der Service hatte nicht seinen stärksten Abend, es hakte doch mehr als einmal. Und auch von den Weinen hätte ich noch mehr erwartet.
Trotzdem: Der Werneckhof ist weiterhin eine tolle Bereicherung!
(Und natürlich auch eine Entreicherung! Um gewissen Herren gleich mal den ersten Kalauer von der Tastatur zu nehmen...)
Tohru Nakamura hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Nach Entdeckung und Aufsteiger des Jahres nun zum zweiten Mal (Feinschmecker, Rolling Pin) Koch des Jahres. Dementsprechend konnte der Werneckhof, das Aushängeschild der Münchner Hotelier- und Gastwirtfamilie Geisel seine 2 Michelin-Sterne und 18 G&M-Punkte verteidigen.
Mein letzter Besuch in der ruhigen Schwabinger Seitenstraße datiert noch aus der Zeit ohne diese Weihen, 2013 muss es gewesen sein. Trotzdem kann ich mich an einiges aus der japanisch-europäischen Aromenküche erinnern. Und an die... mehr lesen
Geisels Werneckhof
Geisels Werneckhof€-€€€Sternerestaurant089 38879568Werneckstr. 11, 80802 München
4.5 stars -
"Grandiose Aroma-Küche" DerBorgfelderTohru Nakamura hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Nach Entdeckung und Aufsteiger des Jahres nun zum zweiten Mal (Feinschmecker, Rolling Pin) Koch des Jahres. Dementsprechend konnte der Werneckhof, das Aushängeschild der Münchner Hotelier- und Gastwirtfamilie Geisel seine 2 Michelin-Sterne und 18 G&M-Punkte verteidigen.
Mein letzter Besuch in der ruhigen Schwabinger Seitenstraße datiert noch aus der Zeit ohne diese Weihen, 2013 muss es gewesen sein. Trotzdem kann ich mich an einiges aus der japanisch-europäischen Aromenküche erinnern. Und an die
Geschrieben am 21.12.2017 2017-12-21| Aktualisiert am
16.04.2018
Besucht am 12.11.2017Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 72 EUR
Sonntagabend in der mecklenburgischen Provinz.
Einsam die Gassen vom Bahnhof zum Schlosse. Vom Glockenturm her schlägt die Stunde, nebelverhangen der triste Kanal. Auch das Hotel de Weimar im Dunkeln.
Schlüssel? Den spuckt ein Tresor gegen Code aus - Glastüre öffnet sich folgsam dem Gaste. Einzelner Handschuh liegt mir im Wege. (Was macht gerade Nicholsons Jack wohl?) Verwaisten Eingang im Zwielicht durchmessen, hallenden Schrittes durchs leere Foyer, schließlich das schützende Zimmer erreicht.
November-Blues.
Was nun? Ich brauch Musik und Wein und einen, der gut kocht. Finde ich aber Sonntags im hauseigenen Restaurant Ambiente nicht, in dem ich letztes Jahr gut, aber sehr teuer gegessen hatte.
Als sehr solide empfohlen wurde mir die Prinzenstube im Hotel zum Erbprinz auf halber Strecke zurück zum Bahnhof. Schon beim Eintreten endlich Leben: Aus der Bar grüßt lautstark eine Firmenveranstaltung, mehrere junge Damen wuseln geschäftig umher und im Weißen Salon sitzen zwei ältere Paare und eine kleine Familiengesellschaft inklusive übermüdetem und/oder verzogenem Kleinkind. Die aufkommende Gereiztheit atme ich gewohnt tibetisch weg (Wer jetzt keinen Tisch hat, findet keinen mehr!), helfe mir aufgrund der anderweitig beschäftigten Bedienungen selbst mit der Garderobe, bewundere das mechanische Klavier
dem seit einigen Jahren die passende klingende(!) Münze fehlt
und lasse mich - endlich - auf den Polsterstuhl im barocken Stil sinken. Puh, hoffentlich wird das jetzt hier ein netter Abend! Es wurde.
Mobiliar und helle Tapete nehmen das Barockthema auf. Die klassisch eingedeckten Tische
stehen auf einem hellen Teppichboden, wodurch bei mir immer die Assoziation eines Wohnzimmers entsteht. Allerdings streckt sich der Raum und neben den roten Sitzpolstern schafft viel Weiß eine heiter-festliche Atmosphäre
Viel hängt in einem solchen Familienfeier-Ambiente vom Service ab. Steif oder persönlich? Frau Rehländer im dunklen Hosenanzug ist vom Fach und ein Glücksfall. Mit einer weiteren jungen Dame agierte sie nicht nur professionell, sondern auch freundlich und sehr interessiert an den Wünschen des Gastes und der Rückmeldung. Prima.
Der durchmischte Campari Orange
mit 5,2€ freundlich kalkuliert. Zusätzliches Leitungswasser war unproblematisch und wurde hier nicht berechnet (Eine Unsitte, jedenfalls, wenn auch andere Getränke bestellt werden.) Vielmehr bot Frau R. Zitrone dazu an.
Die welligen Klarsichthüllen in der Karte passen gar nicht zum Stil des Hauses. Das Weinangebot ist (zu) übersichtlich; ich wählte zunächst einen kräftigen (13%) Grauburgunder von Lukas Kesselring aus der Pfalz, muss also gut sein... 5,2€ für 0,2l.
Ein Menü wurde nicht angeboten, auch Tagesempfehlungen gab es keine. Im Angebot auf der ständigen Karte 3 Vorspeisen, je zweimal Fisch und Vegetarisches, dagegen fünf Fleischgerichte, schließlich zwei Desserts und immerhin eine Käseauswahl.
Ich war neugierig auf
- Zweierlei von der Petersilienwurzel mit einem confierte Forellenfilet im Kräutermantel
- Tagliatelle in Sesamöl-Citrussud mit geschmolzenem Gorgonzola, confierte Tomaten
- Gebratenes Saiblingsfilet auf Gewürzspinat, Weißweinsauce, Kartoffel-Baumkuchen
- Hirschrücken im Pumpernickel-Mantel, Preiselbeerkraut, Jus, Serviettenknödel
- Käseauswahl der Region mit Nüssen, Weintrauben sowie Feigensenf.
Ich bat um etwas kleinere Portionen, wo möglich. Das hat die Küche mustergültig umgesetzt. Der daraus folgende "Menü-Preis" für 44,5€ gewohnt günstig hier in Nord-Ost .
Zur Überbrückung der Wartezeit wurde mit kräftigem, noch leicht knusprigem Mischbrot eine schön schmackige Kräutercreme gereicht, die beste seit langem
Die eigentliche Speisenfolge startete mit einer sehr heißen Cremesuppe, die den eigentümlichen, leicht parfümierten Geschmack der Petersilienwurzel nicht verleugnete. Zweite Komponente der Knolle waren dünne krosse Chips. Auch gut, wenn ihnen auch ein Hauch von Frittiertem anzuhängen schien.
Das Forellenfilet war offenbar zunächst geräuchert, dann confiert worden. Zusammen mit der Kräuterauflage nach Art einer Salsa verde war das eine wunderbare Liaison mit der Suppe.
Überraschender, geglückter Auftakt.
Bei den Nudeln als Zwischengang hatte ich mich aus dem vegetarischen Angebot bedient.
Die nach meinem Gusto etwas weichen Tagliatelle kamen schon mit dem verführerischen Duft geröstetem Sesams an den Tisch.
Der italienische Blauschimmel-Käse umhüllte die Teigwaren mollig, aber nicht schwer. Auch geschmacklich wurden durch die Zitrusfrüchte schöne Akzente gesetzt. Besonders zu loben ist die Verwendung von gezupften Orangen- und roten Grapefruit-Filets. Keine spitze Säure, sondern wunderbar fruchtig-frische Noten. Dagegen wieder einmal Kirschtomaten als einfallsloser Farbtupfer in der Salatbeilage. Eine unnötige, weil eben auch eher säuerliche Komponente. Immerhin, die Hälften sind ja groß genug, sie liegen zu lassen. Ansonsten fein gemacht, nur ein Hauch Schärfe wäre noch eine Verbesserung gewesen.
Der folgende Fischgang konnte dieses Niveau nicht ganz halten.
Das auf der Haut gebratene Filet vom regionalen Gehlsbach-Saibling sah köstlich aus
und war geschmacklich fein. Leider für meinen Geschmack etwas zu lange gegart, ohne jetzt komplett trocken gewesen zu sein. Ganz pfiffig der Kartoffelbaumkuchen
Dünne Schichten von Pürree wurden gegrillt (scheinbar im Waffeleisen o.ä.), dann kam die nächste Lage drauf usw. Das sah in der Tat wie die bekannte Konditoren-Spezialität aus. Leider schmeckte die Masse nur noch wenig nach Kartoffel, war aber umso salziger.
Enttäuschend waren auch die Gemüse. Beim Würzspinat war der Namensgeber nicht erkennbar, es dominierten zu viele salzige Kapern. Auch die Karotten hatten keinen Eigengeschmack, waren aber von penetranter Süße. Fehlende Produktqualität durch Aromen auszugleichen, geht meist schief. Auch die übliche Verdächtige war natürlich anwesend...
Zum Wildgang hoffte ich wieder auf Steigerung und wechselte auf die bekannte Black-Print-Cuvée von Markus Schneider (7,5€/0,2l).
Zuvor gab es auf gesonderte Bestellung hin noch ein mild-cremiges Pflaumensorbet (4,5€), das durch durch Passionsfrucht-Kerne erfrischend aufgepeppt wurde
Gut gemacht.
Die als Deko fungierende, zu dieser Jahreszeit harte und geschmacklose Überseepflaume war mehr als flüssig.
Bis hierhin überwogen die positiven Eindrücke. Aber ein paar Schwächen gab’s ja auch.
Der Fleischgang sollte wohl die Entscheidung zwischen Zufriedenheit oder Enttäuschung bringen.
Das Hirschmedaillon wurde etwas soldatisch präsentiert. Gestiefelt mit einem runden Bett aus Blaukraut mittig der Befehlshaber des Tellers, drüber ein ordentliches Barrett aus Brotcrumble. Als Adjutanten standen an den Seiten in Hab-Acht-Stellung angebratene Knödelscheiben, an denen die Johannisbeeren wie Epauletten herunterhingen. Präsentiert die Brotchips!
Da hatte sich jemand viel Mühe gegeben (und die jungen Wilden aus Berlin-Mitte und deren Publikum sind gaaaaanz weit weg). Und das ist ohne Wenn und Aber anzuerkennen!
Aber entscheidend ist auf´m Teller...
Mit dem Anschnitt war die Schlacht entschieden: Sieg auf der ganzen Linie!
Das aromatische Fleisch aus lokaler Jagd mürbe, aber überaus saftig
Auf den leisesten Druck der Gabel quoll der Fleischsaft aus den Poren. Yes!
Der Rotkohl nicht verkocht, nicht zu hart. Deutliche Zimtnoten und Preiselbeeren auch eingearbeitet. Toll ebenfalls der lockere Knödel mit gutem Röstton und kräftigem Kümmel, kannte ich so nicht.
Pumpernickel geschmacklich zu Wild eine Bank, aber mit den klebrigen, festen Körnern in den Backenzähnen werde ich mich in diesem Leben nicht mehr anfreunden.
Rundum gelungener Hauptgang mit überragender Produktqualität, handwerklich sehr sauber und mit guten Ideen. Bravo!
Dementsprechend geizte ich nicht mit Lob, als der junge Chef Daniel Wendt den abschließenden Käse servierte und aufmerksam die Anregungen aufnahm. Aber auch seine Ideen sachlich verteidigte. So soll es sein. Und in der Tat kann der Spagat zwischen den Erwartungen einer konservativ-bürgerlichen Gästeschaft und den eigenen kreativen Ideen nur vorsichtig gewagt werden. Daran gemessen, hat Herr Wendt hier schon viel richtig gemacht.
Was auch für den letzten Gang galt, bei dem entgegen der Karte nicht Regionales serviert wurde (Oder gar das Käse-Einerlei des morgendlichen Hotel-Buffets - auch schon erlebt, so eine Unverfrorenheit!), sondern österreichischer Weinkäse aus Heumilch. Dazu Feigensenf und verschiedene Nusskerne, die geröstet und noch warm aus der Pfanne kamen
Fein. Beim nächsten Mal noch mit Puderzucker karamellisieren und eine weitere Stufe wäre erreicht.
Aber auch so habe ich mich in der Prinzenstube sehr wohl gefühlt und spreche gern eine Empfehlung aus.
Schnell durch den Nebel zurück in meinen Little inn of horrors, zu dessen - sehr gutem - Frühstück sich am nächsten Tag auch nur drei Gäste mehr oder weniger lebendig einfanden.
Sonntagabend in der mecklenburgischen Provinz.
Einsam die Gassen vom Bahnhof zum Schlosse. Vom Glockenturm her schlägt die Stunde, nebelverhangen der triste Kanal. Auch das Hotel de Weimar im Dunkeln.
Schlüssel? Den spuckt ein Tresor gegen Code aus - Glastüre öffnet sich folgsam dem Gaste. Einzelner Handschuh liegt mir im Wege. (Was macht gerade Nicholsons Jack wohl?) Verwaisten Eingang im Zwielicht durchmessen, hallenden Schrittes durchs leere Foyer, schließlich das schützende Zimmer erreicht.
November-Blues.
Was nun? Ich brauch Musik und Wein und einen, der... mehr lesen
Hotel Erbprinz · Die Prinzenstube
Hotel Erbprinz · Die Prinzenstube€-€€€Restaurant03874 25040Schweriner Str. 38, 19288 Ludwigslust
4.0 stars -
"Überraschend gute Hotel-Küche mit Pfiff!" DerBorgfelderSonntagabend in der mecklenburgischen Provinz.
Einsam die Gassen vom Bahnhof zum Schlosse. Vom Glockenturm her schlägt die Stunde, nebelverhangen der triste Kanal. Auch das Hotel de Weimar im Dunkeln.
Schlüssel? Den spuckt ein Tresor gegen Code aus - Glastüre öffnet sich folgsam dem Gaste. Einzelner Handschuh liegt mir im Wege. (Was macht gerade Nicholsons Jack wohl?) Verwaisten Eingang im Zwielicht durchmessen, hallenden Schrittes durchs leere Foyer, schließlich das schützende Zimmer erreicht.
November-Blues.
Was nun? Ich brauch Musik und Wein und einen, der
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5 Städte - 4 Abendessen - 3 Teams
Zu Beginn hieß es am Sonntagabend erst einmal:
Never change a winning team!
Nach nur zwei Wochen durfte ich erneut mit meiner gastro-affinen Kollegin Nr. 1 in Berlin tafeln.
Diesmal ging es nach Kreuzberg und es wurde deutlich klassischer, denn die Wahl fiel auf das Orania im gleichnamigen, erst vor wenigen Monaten eröffneten Hotel. Schon vor über 100 Jahren ein Ort der gehobenen Kultur und Gastlichkeit, später lange Jahre ein Bekleidungshaus der Firma Charme&Anmut. Die Homepage vermittelt den Stil des Hauses bemerkenswert gut, doch wie so oft halten sich visuelle Gestaltung und Nutzbarkeit nicht die Waage. Unter der angegebenen Telefonnummer erhielt meine Begleiterin den nützlichen Rat, es bei der Auskunft zu versuchen. Und die Öffnungszeiten sind gleich gar nicht angegeben. Der spätere Hinweis der Restaurantleitung, man gehöre ja zum Hotel und habe daher sowieso an allen Tagen geöffnet, erregt in seiner Unbedarftheit ein wenig Mitleid.
Um 20.00 Uhr waren zwei kleine Gruppen und mehrere Paare anwesend. Die Plätze wohl zu einem knappen Drittel gefüllt. Es gingen und kamen Gäste, die letzten noch um 22.00 Uhr.
Als wir durch die schweren Türen den hohen Raum betraten, nahm uns sogleich eine gastliche Atmosphäre gefangen. Gedämpftes, aber nicht schummriges Licht illuminierte zur Rechten eine lange Bar, davor Loungesessel. Am Ende des Raumes auf einem Podest ein veritabler Konzertflügel.
Links im Hintergrund eine offene, große Küche, in der vier Köche ruhig werkelten.
Davor ein ungemein einladender Raum mit Ausblick auf den Oranienplatz. Hölzer in der Farbe alten Cognacs, Wildleder zum Teil auch an den Wänden, freundlich bezogene Bänke und Cocktailsessel, in denen man auch längere Zeit bequem und gestützt sitzen kann. An der Stirnseite ein Kamin,
in dem nicht Gasflammen, erst recht nichts Elektronisches loderten, sondern echte Holzscheite, vom Personal regelmäßig umgeschichtet und nachgelegt. Die goldene Elefantenprägung auf den Sesseln verstärkte meinen Eindruck einer luxuriösen Lodge.
Der Feuerstelle gegenüber fallen von den hohen Decken Volants in verschiedenen warmen Farben und schützten vor den Blicken aus dem Eingangsbereich und der Bar
Ein wunderbarer Raum zum Verweilen und Entspannen.
Nach dem Eintreffen von den jungen, ausschließlich weiblichen Kräften kurzzeitig ignoriert (Die Servietten wollten sorgsam aufgefüllt sein, da mag selbst ein kurzes „Bin gleich bei Ihnen!“ der Konzentration schaden.), wurden uns mehrere Tischen angeboten und wir zu dem Gewählten am Fenster begleitet. Die Mäntel hingen dabei schon über dem Arm der Servicefee, mustergültig. Auch später wurde fehlerlos, freundlich und insbesondere mit dem erkennbaren Willen agiert, die Wünsche der Gäste zu erfüllen - auch ohne einschlägige Ausbildung. Ein rundum nettes Team, am Ende des Abends diskutierten wir die jeweiligen Fastengebote/-versuche. Über die dandyhaften Schürzen, deren breite Lederriemen sich wie Hosenträger über dem Rücken kreuzten, schauten wir da gerne hinweg.
Die Tische am Fenster stehen sehr eng, wir konnten ohne Weiteres ein freundliches Gespräch mit dem älteren Paar über einen unbesetzten hinweg führen. Doch die Atmosphäre hat eben etwas Kommunikatives, Wohnzimmerhaftes und entspannt plaudert es sich auch mit Fremden leicht.
Direkt auf der schön furnierten Holzplatte ein schnörkelloses Robbe&Berking Besteck und ein sehr schöner Teller, dessen Motiv eines stilisierten Baumes mir japanisch inspiriert vorkam.
Ein Trauben-Secco war nicht im Angebot, also bat ich neben dem Wasser um einen frischen Grapefruitsaft. Obwohl nicht auf der Karte, legte Frau Skoda ein gutes Wort in der Küche für mich ein, übrigens genauso wie beim abschließenden Käse außer der Reihe, der ebenfalls aus den Vorräten des Frühstück organisiert schien. Später gab es noch einen Cocktail auf der Basis von Rhabarbersaft, der mit Ingwer eine fruchtig-scharfe Note hatte.
Brot kam schnell, zwar in der Papiertüte, aber „von der Markthalle 9!“, wie verschwörerisch geflüstert wurde. In diesem Kreuzberger (inzwischen wieder) Schmuckstück werden in der Tat an vielen, überwiegend festen Ständen regionale und exotische Produkte von guter Qualität und handwerklicher Herstellung angeboten, teilweise von Köchen, die genug von Sterneküche hatten. Ein Geheimtipp ist die einstige Avantgardestätte aber nun nicht gerade mehr.
Das gute, helle Hefeteigbrot hatte über den Tag etwas Knusprigkeit verloren
Dazu Salz und Butter, die direkt auf einen sauberen Papierstreifen gestrichen war
Ist nicht jedermanns Sache, spart aber immerhin Abwasch. Wir verbuchten unter Nachhaltigkeit.
Könnte aber auch Ausdruck des Sharing-Prinzips gewesen sein, das hier ein besonderes Angebot darstellt. Wie in vielen Küchen der Welt üblich, werden mehrere (vorgegebene) Gerichte zum Teilen gleichzeitig serviert.
Wir entschieden uns aber, getrennt von der angenehm übersichtlichen Karte zu bestellen, die der im Internet 1:1: entsprach. Auch hier regiert das Konzept. In diesem Fall die Konzentration auf maximal drei (Haupt-)Komponenten pro Teller, die dann dekliniert werden.
Ich fand sehr reizvoll, dass am Ende des Winters noch mehrere bittere Gemüse auf der Karte standen und entschied mich für
Büffeltartar, Chicorée und Brioche
Parmesan, Tortelloni, Blattsalat
Maispoularde, Schwarzwurzel, Trevisano.
Das Tatar zu Beginn wurde im Ring angerichtet, gekrönt von einem Wachtelei mit noch flüssigem Gelb
Das Fleisch war sehr fein gewiegt und vor allem sehr kräftig mit einem tomatisierten, pikanten Dressing gewürzt worden. Schon stimmig, aber ich hatte mich auf den besonderen Geschmack von Büffel gefreut. So konnte ich keinen Unterschied zum gemeinen Rindvieh feststellen. Die Brioche war nur leicht gegrillt, aber mit einer fein berstenden Kruste versehen. Der in den Teig eingearbeitete Senf sehr zurückhaltend. Als geschmacklicher Gegenpart setzte geschmorter weißer und eingelegter roter Chicorée
nicht nur bittrige, sondern auch säuerliche Akzente. Überraschend fanden sich im Gemüse sehr schöne kleine Grieben und ein wenig Gedörrtes vom Büffelfleisch. Passender die Crême von schwarzem Knoblauch und eine Version von Cocktailsauce.
Insgesamt noch nicht perfekt, aber sehr angenehm.
Mir gegenüber machte sich dagegen ein wenig Unzufriedenheit breit. Ein paar Birnenspalten als „Winterfrüchte“ rissen den Feldsalat nicht wirklich raus
Immerhin wurden die frittierten Käsewürfel Sciatt gelobt.
Mein Pasta-Zwischengang hatte zwei extreme Seiten.
Der Teig der Pasta war perfekt und die flüssige Parmesanfüllung ein Traum. Dazu gab es einen aufgeschlagenen Sud von grünem Salat, der durch Intensität überzeugte. Dazu Parmesanflocken und knusprige (Semmel?)Brösel. Himmlisch.
Aber aus diesen Sphären holte mich der nicht angekündigte marinierte Fenchel ganz schnell wieder herunter, bei dessen Säure sich nicht nur sprichwörtlich „alles zusammen zog“. Zumal man sich durch die groben Stücke auch nicht vorsichtig herantasten konnte. Weniger wäre hier mehr gewesen, zu schlechter Letzt auch optisch. Aber, ganz ehrlich: Ich weiß gar nicht, was die Säure in diesem Gericht überhaupt verloren hatte.
Beim Hauptgang war meine berufliche Begleitung wieder dabei. Ihr „halbes“ Entrecôte war hoch geschnitten und sah verführerisch aus
und auf dem Teller war auch ansonsten ordentlich was los.
Mit meinem Teller drängte sich allerdings eine weitere Assoziation zu Japan auf: In der U-Bahn von Tokio während der rushhour kann es auch nicht viel voller sein.
Drei dicke Tranchen Geflügelbrust auf reichlich Schwarzwurzelstangen und geschmortem Trevisiano wurden von einer ganzen Armada großer Crêmetupfer bedrängt
Zu allem Überfluss (!) schwamm das Arrangement in einem Saucentümpel. Der Service nahm mein Gebrumme ungerührt zur Kenntnis. Au weia, wer richtet solche Teller an? Auch bei genauerem Inaugenschein wenig Erfreuliches. Die schön gebräunte Poulardenhaut sah arg verschrumpelt , also erkaltet und daher weich aus. War sie im Anschnitt dann auch. In einem Schälchen wurde separat eine gebackene Praline mit Keulenfleisch
gereicht. Der etwas dick geratene Teig war feucht und weich geworden, kein Genuss. Oje, oje. Derweil schien meine Kollegin leise Topfschlagen zu spielen: „Kalt, kalt, lauwarm, kalt.“
Irgend etwas muss mit den Tellern in der Küche schief gelaufen sein. Vielleicht war mein Zwischengang vergessen worden, auf den wir lange warten mussten. Und stattdessen schon die Hauptgänge fertig gemacht? Es wurde nicht aufgeklärt, muss ja auch nicht.
Wir reklamierten umgehend und es zeigte sich, dass wir in einem Haus mit Stil waren. Kein Gemurre, uns wurde (von der Küche) angeboten, die Teller neu zu machen, was 15 Minuten dauern sollte. Nach genau dieser Viertelstunde kam der zweite Versuch und das Warten hatte sich gelohnt. Auch optisch, denn bei mir wurde etwas entschlackt, was Beilagen anging. Die Poularde durchgebraten, aber sehr saftig; die Haut knusprig.
Der Radicchio angeröstet und dann geschmort, schönes Wintergemüse. Und auch die Schwarzwurzeln tadellos, die Stangen nicht mit zu viel Biss, die Crême samtig. Auch das gebackene Bällchen war nun knusprig, der Inhalt würzig
Jetzt war das Gericht rundum gelungen, ohne herausragend zu sein.
Auf der anderen Tischseite war mit dem Fleisch nun Zufriedenheit angesagt. Die Beilage Mac‘n‘Cheese, also mit Käse überbackene Makkeroni
waren vielleicht etwas zu schlicht.
Blieb noch der Käse.
Schweizer Schnitt- und französische Weichkäse von einem sehr guten Buffet, aber ob die Ware durch die Hand eines Affineurs gegangen ist? Dazu ein schön lockeres Früchtebrot, sehr gut. Trotz der abweichenden Meinung meiner Kollegin lasse ich diesen Gang außer Bewertung. Denn an das, was auf Wunsch netterweise möglich gemacht wurde, kann nicht derselbe Maßstab wie an die Angebote der Karte angelegt werden.
Wir hatten einen schönen Abend im Orania, was besonders Service und Ambiente zu verdanken war. Die Küche hat Potenzial, war aber in ihrer Leistung unaufmerksam. Diese summierten sich, sodass die Sterneuhr diesmal bei 3,74 stehen blieb. Kein Grund, hier nicht wieder einzukehren und dem Knistern der Scheite zu lauschen!